Tanger ist eine Stadt mit 974.000 Einwohnern im Norden des Landes in der Provinz Tanger-Asilah. Sie liegt an der nordafrikanischen Küste, etwas westlich der Straße von Gibraltar. Südlich der Stadt befindet sich der Flughafen Tanger-Boukhalef; zwischen Tanger und Ceuta gibt es seit 2007 mit Tanger-Med einen Seehafen für den Container- und RoRo-Umschlag am Mittelmeer. Der Legende nach hat Antaios, Sohn von Poseidon und Gaia, die Stadt gegründet. Herkules spaltete an dieser Stelle die Erde und schuf so die Meerenge von Gibraltar, in der Mittelmeer und Atlantik ihre Gewässer vermischen.
Aus karthagischer Zeit stammen die in den Fels gehauenen und in römischer Zeit wiederverwendeten Steinkistengräber der Nekropole von Marshan. Die Römer umgaben im 3. und 4. Jahrhundert den Burgberg – das heutige Kasbah-Viertel – mit einer Stadtmauer, die von den Portugiesen im 15. und 16. Jahrhundert gebaut wurde. Größte Attraktion der Stadt ist die belebte Medina (Altstadt) rund um den Petit Socco mit ihren Märkten, Handwerksbetrieben, Geschäften und Cafés. Sehenswert ist auch das “Musée de la Casbah” mit vielen interessanten archäologischen Fundstücken zur mehr als 2000 Jahre währenden Stadtgeschichte; Glanzstück ist das aus Volubilis stammende Bodenmosaik mit der Darstellung einer “Seefahrt der Venus”. Mehrere Galerien präsentieren Wechselausstellungen mit Werken marokkanischer und europäischer Künstler. Unweit des Kap Spartel befindet sich die Herkulesgrotte. 1894 wurde die anglikanische Kirche des Heiligen Andreas errichtet.
Bedeutsam ist der mediterrane Charakter, der Tanger von anderen Städten Marokkos unterscheidet. Generell war die Stadt durch ein Miteinander von europäischer, muslimischer und jüdischer Kultur geprägt. So ist beispielsweise die Altstadt architektonisch weitgehend von typisch mediterranen Baumerkmalen geprägt (z.B. Fenster zur Straße, Balkone). Auch im lokalen arabischen Dialekt spiegelt sich der Einfluss romanischer Sprachen. Die religiösen Gruppen lebten zusammen in denselben Stadtvierteln und Wohnblöcken, in der Zeit der Internationalen Zone war die Klassenschichtung bedeutsamer als die der nationalen Herkunft oder Zuordnung. Angehörige aller Gruppen pflegten neben ihren offiziellen religiösen Ausrichtungen auch die Verehrung der Dschinn, die in Tanger spezielle Örtlichkeiten der Verehrung hatten: insbesondere die Felsen von Lalla Jmila und Sidi Hammou wurden von christlichen, jüdischen und muslimischen Frauen verehrt, um Liebesglück und Fruchtbarkeit zu erbitten. Noch heute wird das Heiligtum von Sidi Maimoun aus diesen Gründen besucht. Traditionell spielten und spielen die Zünfte und die Sufibruderschaften der Gnawa, Aissawa und Hamadsa eine wichtige Rolle im kulturellen Gefüge der Stadt.
Mit dem Zustrom von Marokkanern aus dem Hinterland, insbes. seit den 2000er Jahren, hat sich auch die kulturelle Geprägtheit der Stadt stark verändert. Heute findet man auch in Tanger mehr und mehr verschleierte Frauen; bis in die 2000er Jahre hinein zeichnete sich die Stadt durch einen legèren Kleidungsstil – insbesondere auch von Frauen (europ. Röcke, offene Haartracht) – aus. Diese Veränderung ist sichtbarstes Zeichen der allgemeinen Entwicklung der lokalen Kultur seit der Jahrtausendwende, weg von einem mediterranen hin zu einem zunehmend arabischen Lebensstil. Seit dem Jahr 2000 findet alljährlich im Sommer das Jazz-Festival Tanjazz statt.