Themenwoche Marokko – Rabat
Mittwoch, 26. Juli 2017 - 12:00 (CET/MEZ) Berlin | Author/Destination: North Africa / NordafrikaCategory/Kategorie: Allgemein, UNESCO-Welterbe, Union für das Mittelmeer Lesedauer: 13 Minuten Rabat ist seit 1956 die Hauptstadt Marokkos mit dem Regierungssitz und der Residenz des Königs; gleichzeitig ist die Stadt Hauptort der Region Rabat-Salé-Kénitra. Rabat liegt an der Atlantikküste am südlichen Ufer des Bou-Regreg gegenüber der Nachbarstadt Salé. Das Ballungsgebiet (Wilaya) Rabat-Salé wird in vier Präfekturen aufgeteilt. Rabat ist neben Fès, Meknès und Marrakesch eine der vier Königsstädte Marokkos. Der Name geht auf eine islamische Grenzfestung (Ribat) zurück, die Zanata-Berber im 10. Jahrhundert an der Flussmündung des Bou-Regreg errichteten. Im 12. Jahrhundert ließen die Almohaden den Ribat zu einer befestigten Stadt (Kasbah) erweitern, die bis ins 19. Jahrhundert mit und in Konkurrenz zu Salé eine bedeutende Handelsstadt blieb. Im 17. Jahrhundert sorgten die unabhängige Piratenrepublik Bou-Regreg für eine wirtschaftliche Blütezeit und von der Iberischen Halbinsel zugewanderte Andalusier für ein Bevölkerungswachstum. Mit Beginn des Französischen Protektorats wurde Rabat 1912 Sitz des Generalresidenten. Seit der Jahrtausendwende entsteht am Bou-Regreg das großangelegte Bab el-Bahr-Projekt, mit dem das bisher unbesiedelte Flussufer zu einem kulturellen Zentrum gemacht werden soll. Die Stadt wurde 2012 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.
Rabat liegt etwa 90 Kilometer auf der Autobahn A 3 nordöstlich von Casablanca und 200 Kilometer auf der Autobahn A 1 entlang der Küste südlich von Tanger. Die Entfernung auf der Autobahn A 2 Richtung Osten ins Landesinnere nach Meknès beträgt 120 Kilometer. Rabat und Salé liegen jeweils auf einer Felsnase über dem breiten Bou-Regreg-Tal. Knapp zwei Kilometer Luftlinie trennen die Befestigungsmauern beider Altstädte an der Einmündung des Flusses in den Atlantik. Am Flussufer etwa 200 Meter südöstlich der Kasbah des Oudaïas können Fußgänger mit Ruderbooten nach Salé übersetzen. Eine Straßenbrücke im Innenstadtbereich ist die vierspurige, Ende der 1950er Jahre erbaute Pont Moulay El Hassan, die im Mai 2011 durch die höhere Brücke Hassan II ergänzt wurde. Die neue Brücke dient dem Kraft- und Straßenbahnverkehr. Nach der Fertigstellung von weiteren Straßenverbindungen wird die alte Brücke zurückgebaut. Durch die größere Höhe der neuen Brücke von 12,8 Metern wird der Bou-Regreg landeinwärts schiffbar. Für den Fernverkehr kommen zwei weitere Straßenbrücken einige Kilometer landeinwärts hinzu. Der Flughafen Rabat-Salé befindet sich acht Kilometer nordöstlich des Zentrums. Der Küstenstreifen von der 45 Kilometer nördlich gelegenen Industriestadt Kenitra bis nach Casablanca im Süden gehört zu den am dichtesten besiedelten Regionen des Landes und verfügt über die wirtschaftlich stärkste Industrieproduktion. In diesem, während der Kolonialzeit zur bevorzugten Entwicklungszone erklärten Bereich leben 34 Prozent der marokkanischen Bevölkerung.
Die Medina ist an drei Seiten von der 1197 fertiggestellten almohadischen Stadtmauer umgeben, lediglich östlich der Kasbah fehlt ein kleines Stück an der Felskante über dem Flussufer. Die großzügig geplante, insgesamt 5250 Meter lange Mauer führt über die Medina hinaus um einen großen Teil der Neustadt im Westen und Süden, wo sie das Gartengelände des Königspalasts umschließt. Das wesentlich kleinere Gebiet der mittelalterlichen Medina wird gegen die französische Neustadt durch die Andalusier-Mauer aus dem 17. Jahrhundert abgegrenzt. Die ehemalige Mellah lag am Flussufer innerhalb der Andalusier-Mauer. An der Rue Souika parallel zur Mauer liegt die Große Moschee aus dem 14. Jahrhundert (1882 und 1939 umgebaut). Die Straßen der Medina sind geradliniger und breiter angelegt als in anderen marokkanischen Städten. Vier Tore führen von der Neustadt durch die Andalusier-Mauer in den Suq, der sich über den größten Teil der Medina erstreckt. Ein Hauptzugang führt von der Neustadt entlang der Avenue Mohammed V quer durch die Altstadt und endet am innerhalb der Stadtmauer gelegenen Friedhof mit Ausblick aufs Meer. Auf der Westseite ist das schmucklose Tor aus Stampflehm Bab el Had in der almohadischen Mauer erwähnenswert. Der Friedhof grenzt an die Kasbah des Oudaïas, deren Zugang, das repräsentative Bab el Oudaïa, vom Place Souk el Ghezel zu erreichen ist. Die weiß verputzten Häuser in den verwinkelten Fußgängergassen dahinter sind sorgfältig restauriert. Das Touristenziel ist auch eine begehrte und teure Wohnlage. Innerhalb der Kasbah liegt die Jama al Atiq, die älteste Moschee der Stadt aus dem 12. Jahrhundert (restauriert im 18. Jahrhundert). Unterhalb des Eingangstors zur Kasbah verbirgt sich hinter einer Vormauer, mit der 1666 bis 1672 die Kasbah um einen Palast in einer Gartenanlage erweitert wurde, das Musée des Oudaïas, in dem Kunsthandwerk ausgestellt ist. Der “Andalusische Garten” wurde in der französischen Kolonialzeit angelegt.
Auf freiem Gelände südöstlich der almohadischen Mauer umgibt die hohe, zinnenbekrönte Stampflehmmauer der Chellah die merinidische Totenstadt. Der Zugang führt durch ein monumentales steinernes Portal aus dem 14. Jahrhundert. Die oktogonalen Flankentürme enden oben in quadratischen Plattformen. Der Durchgang ist zur besseren Verteidigung in einem Winkel angelegt und mit Kreuzgratgewölbe aus Ziegeln überdeckt. Der Fußweg führt durch einen Park mit Büschen und Bäumen einen Hügel hinunter bis zu den 1930 freigelegten Resten der römischen Siedlung Sala Colonia. Die wenigen erhaltenen Steinreihen von Wohnhäusern und Handelsgeschäften lassen den Decumanus erkennen, der als die Hauptachse der Stadt zum einstigen Hafen führte. Diese endete an einem Triumphbogen, von dem nur die Fundamente erhalten sind. Daneben befindet sich die ab dem Ende des 13. Jahrhunderts eingerichtete Nekropole, in der mehrere merinidische Sultane und islamische Heilige (Marabouts) begraben wurden. Der Grabbau des 1351 verstorbenen Sultans Abu l-Hasan ist am besten erhalten. Dort liegt auch Sams ad-Dauha (1330–1380) begraben, eine der Frauen des Sultans, die eine englische oder schottische Prinzessin gewesen sein soll. In der Nähe steht ein gut erhaltenes Minarett mit Rautenmustern und Resten von Mosaikfliesen, das zu einer Moschee mit angrenzender Madrasa gehörte. Der Innenhof der Madrasa besaß in der Mitte ein großes rechteckiges Wasserbecken und war von einer flachen Holzkonstruktion auf Pfeilern überdacht. An den Hof grenzten die Schlafräume der Studenten. Die Anlage der Nekropole erfolgte an einem schon zuvor von den ortsansässigen Berbern verehrten Ort bei einer heiligen Quelle. Am Rand der großen Grabbauten versteckt sich ein heiliger Teich, der aus dieser Quelle gespeist wird und in dem Aale leben oder leben sollten. Nach der Tradition füttern Frauen die Aale in dem 20 Quadratmeter großen gemauerten Becken mit Eiern und werfen Geldstücke hinein, wovon sie sich reichlichen Nachwuchs versprechen. Auf ähnliche Art wurden im islamischen Volksglauben Schildkröten im marokkanischen Ort Lalla Takerkoust oder Welse in Dafra in Burkina Faso verehrt. Von den sieben Heiligengräbern (Qubbas) gehört das bekannteste Sidi bin Yunis, dem Wächter der Paradiesquelle (kauthar oder kausar). Die noch verehrten Heiligengräber dürfen nicht besichtigt werden.
Vom Bab er Rouah führt die vierspurige Allee Avenue an-Nasr nach Westen ins Wohn- und Geschäftsviertel der Mittelklasse Agdal. Dort befindet sich die Nationalbibliothek (Bibliothèque nationale du Royaume du Maroc) und die Agdal-Universität (Université Mohammed V Agdal – Rabat), die größte Hochschule des Landes. Gegenüber der geschäftigen Wirtschaftsmetropole Casablanca gilt Rabat als ruhigere Verwaltungsstadt. Viele Regierungsbeamte und Botschaftsangehörige leben in dem als Gartenstadt angelegten Viertel Souissi außerhalb im Süden. Am nördlichen Flussufer entsteht seit 1994 mit dem Bab el-Bahr-Projekt ein neues städtisches Zentrum zwischen der Ville Nouvelle von Rabat und der Medina von Salé, das beide Städte miteinander verbinden soll. Geplant sind mehrere gehobene Wohn- und Geschäftsviertel. Auf dem Quartier de la Culture am Flussufer soll als architektonischer Höhepunkt des gesamten Projekts ein großes Theater mit 2050 Sitzplätzen entstehen, sowie ein Auditorium mit 520 Sitzplätzen und ein Freilufttheater für 7000 Besucher. Ende 2010 war ein größerer Teil der Wohngebäude im Rohbau fertiggestellt. In den zentrumsnahen Vierteln von Rabat wurden die Bereiche mit Slum-Behausungen seit den 1990er Jahren in ordentliche Wohnräume umgewandelt. Auch die einstigen Wellblechhütten der weit außerhalb gelegenen Viertel Oued Akreuch und Douar Diss wichen überwiegend festen Häusern. Die Bewohner sind in der Mehrheit in jüngster Zeit vom Land zugezogen. Andere Quartiere wie Hajj, Maadid und Sidi Taiba bestehen zwar aus mehr oder weniger solide gemauerten Wohneinheiten auf Flächen in Eigenbesitz, sie entstanden aber illegal ohne Baugenehmigung, weshalb es häufig an der grundlegenden Infrastruktur fehlt. Solche Gebiete sind überbevölkert und haben nur enge Verkehrswege.
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