Stadtkirche Lutherstadt Wittenberg
Dienstag, 1. August 2017 - 12:00 (CET/MEZ) Berlin | Author/Destination: European Union / Europäische UnionCategory/Kategorie: Allgemein, Haus des Monats, UNESCO-Welterbe Lesedauer: 8 Minuten Die Stadt- und Pfarrkirche St. Marien in der Lutherstadt Wittenberg ist als Bürgerkirche die Predigtkirche der Reformatoren Martin Luther und Johannes Bugenhagen. Hier wurde die Heilige Messe zum ersten Mal in deutscher Sprache gefeiert und das Abendmahl erstmals „in beiderlei Gestalt“, in Brot und Wein, an die Gemeinde ausgeteilt. Die Kirche ist damit die Mutterkirche der Reformation. Seit 1996 gehört die Stadt- und Pfarrkirche St. Marien zum UNESCO-Welterbe. Zusammen mit der Schlosskirche, dem Augusteum und Lutherhaus, dem Melanchthonhaus und dem Dessau-Wörlitzer Gartenreich befindet sie sich in der Region mit der größten Dichte an UNESCO-Welterbestätten weltweit.
1187 wurde die Pfarrkirche St. Marien erstmals urkundlich erwähnt. Ursprünglich soll es eine Holzkirche gewesen sein, die zum Bistum Brandenburg gehörte. Um 1280 entstanden der heutige Altarraum und sein südliches Seitenschiff. Zwischen 1412 und 1439 wurden das Langhaus durch die jetzt noch vorhandene dreischiffige Halle ersetzt und die Türme errichtet, die zunächst mit einer steinernen Pyramide bekrönt waren. 1522 ist während des von Andreas Bodenstein initiierten Bildersturms fast die gesamte Inneneinrichtung demoliert und entfernt worden. Martin Luther kehrte deswegen von der Wartburg zurück nach Wittenberg und hielt hier seine berühmten Invokavit-Predigten. Im Schmalkaldischen Krieg 1547 wurden die Steinpyramiden von den Türmen entfernt, um Plattformen für Kanonen zu schaffen. 1556 wurden auf den Plattformen die achteckigen Hauben aufgesetzt sowie eine Uhr und eine bis 1945 bewohnte Türmerwohnung errichtet. Danach erfolgte der Anbau des östlichen Giebels und der darüber liegenden Stube für die Ordinanden. 1811 wurde die Inneneinrichtung der Kirche im Stile der Neugotik nach Plänen des Baumeisters Carlo Ignazio Pozzi umgestaltet. Eine gründliche Erneuerung schloss sich 1928 und 1980 bis 1983 an. In Vorbereitung des 2017 bevorstehenden 500-jährigen Reformationsjubiläums begannen 2010 die Arbeiten zu einer erneuten umfassenden Sanierung. Am 30. November 2014 wurde die Kirche nach den Bauarbeiten erneut geweiht. Die Sanierung der Türme ruhte etwas aus finanziellen Gründen; die Türme wurden dann aber im Sommer 2015 fertig. Seit Anfang 2013 ist der Opernsänger und Entertainer Gunther Emmerlich Schirmherr der Spendenaktion “500 x 500”, in der 500 Personen, Vereine, Familien oder Unternehmen gefunden werden sollen, die jeweils 500 Euro oder mehr für die Sanierung der Kirche spenden.
An der südlichen Außenwand sichtbar ist die aus dem Hochmittelalter datierte plastisch-bildhafte Darstellung der zeitgenössischen “Judensau” von 1305. Dieses antijudaistische Motiv wurde im Mittelalter populär. Es “zierte” öffentliche Gebäude und Kirchen und diente damals dazu, Juden zu verunglimpfen und zu verspotten. Die Tiermetapher “Judensau” bezeichnet ein im Hochmittelalter entstandenes häufiges Bildmotiv der antijudaistischen christlichen Kunst. Es sollte Juden verhöhnen, ausgrenzen und demütigen, da das Schwein im Judentum als unrein gilt und einem religiösen Nahrungstabu (Jüdische Speisegesetze) unterliegt. Spottbilder mit dem “Judensaumotiv” sind seit dem frühen 13. Jahrhundert belegt und auf Steinreliefs und Skulpturen an etwa 30 Kirchen und anderen Gebäuden vor allem in Deutschland bis heute zu sehen. 1988 wurde im Auftrag der Stadtkirchengemeinde unterhalb der Darstellung eine Gedenkplatte des Bildhauers Wieland Schmiedel in den Boden eingelassen, um auf die historischen Folgen des Judenhasses aufmerksam zu machen.
Lesen Sie mehr auf stadtkirchengemeinde-wittenberg.de, luther2017.de – Stadtkirche Wittenberg, lutherstadt-wittenberg.de – Stadtkirche Wittenberg, Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen Anhalt, taz vom 03.04.2019: Prozess um “Judensau” in Wittenberg: Unter aller Sau, Der Spiegel vom 04.04.2019: Sogenannte “Judensau”-Plastik: Gericht verhandelt im Streit über antisemitisches Relief, Dresdner Neueste Nachrichten vom 04.04.2019: Schwein des Anstoßes: Gericht verhandelt über “Judensau”, Süddeutsche Zeitung vom 24.05.2019: “Judensau”-Relief darf bleiben, Die Zeit vom 30.10.2019: Antisemitismusbeauftragter: “Judensau”-Relief in Wittenberg löst neue Kritik aus, Jüdische Allgemeine vom 31.10.2019: “Judensau” gehört ins Museum, Der Spiegel vom 19.01.2020: Rechtsstreit über antisemitisches Relief: Herr Düllmann und die “Judensau”, Jüdische Allgemeine vom 21.01.2020: Klage gegen Wittenberger “Judensau” voraussichtlich erfolglos, Süddeutsche Zeitung vom 04.02.2020: Gerichtsentscheid: Antisemitische Schmähplastik darf vorerst bleiben, Jüdische Allgemeine vom 04.02.2020: Schmähplastik kann weiter an Stadtkirche bleiben, Die Zeit vom 04.02.2020: “Judensau”-Relief: So macht man Antisemitismus salonfähig, Süddeutsche Zeitung vom 04.02.2020: Es ist gut, wenn die “Judensäue” sichtbar bleiben und weiter mahnen, Die Zeit vom 04.03.2020: Rechtsstreit um antijüdische Skulptur geht weiter (für die einen wäre die Entfernung des Reliefs eine späte Genugtuung, für die anderen wäre es “Kultur-Talibanismus” – das wird sich wohl noch eine Weile hinziehen), Der Tagesspiegel vom 14.06.2022: BGH-Urteil zur “Judensau” in Wittenberg: Judenfeindliche Schmähplastik muss nicht entfernt werden, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14.06.2022: Urteil des Bundesgerichthofes: Die “Wittenberger Judensau” darf bleiben, Der Spiegel vom 14.06.2022: BGH-Urteil zu Schmähskulptur: “Judensau” an Wittenberger Stadtkirche muss nicht entfernt werden, DW vom 14.06.2022: Antisemitisches Relief an Kirchenfassade darf bleiben, Die Welt vom 14.06.2022: BGH-Urteil: Wittenberg hat es nicht verdient, dieses antisemitische Relief loszuwerden, Jüdische Allgemeine vom 26.07.2022: “Judensau” an der Wittenberger Stadtkirche könnte bald entfernt werden, Die Zeit vom 26.07.2022: Stadtkirche Wittenberg: Experten empfehlen Entfernung von antisemitischem Relief, Der Spiegel vom 26.07.2022: Rechtsstreit über antisemitisches Relief: Kläger zieht wegen Wittenberger “Judensau” vors Bundesverfassungsgericht, Süddeutsche Zeitung vom 26.07.2022: Wittenberg: Antijüdische Schmähplastik soll weichen, Die Welt vom 27.07.2022: Wittenberger “Judensau”: Ein Zeichen schwerer Sünde sollte nicht ausgelagert werden, Jüdische Allgemeine vom 30.08.2022: Wittenberg: Wird die “Judensau” an Luthers Predigtkirche bald abgehängt?, DW vom 07.09.2022: Wittenberger Schmähplastik: Offener Brief aus Israel, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26.10.2022: Wittenberg: Antisemitisches Schmährelief soll an Kirche bleiben, Jüdische Allgemeine vom 26.10.2022: Wittenberger Schmähplastik bleibt an Ort und Stelle, Die Welt vom 28.10.2022: Antisemitismus: Wir müssen die “Judensau” aushalten und Wikipedia Stadtkirche Lutherstadt Wittenberg. Hier erfahren Sie mehr über Bilder und deren Verwendung. Damit Sie sich auf dem Laufenden halten können, bieten die meisten Stadt- oder Tourismus-Webseiten einen Newsletter-Service an und/oder unterhalten Facebook-Seiten/Twitter-Accounts. Zudem bieten mehr und mehr Orte, Tourismusorganisationen und Kultureinrichtungen zusätzlich Apps für SmartPhones und Tablets an, sodass Sie Ihren mobilen Fremdenführer immer dabei haben können (Sicher Reisen - Die Reiseapp des Auswärtigen Amtes - Wetterbericht von wetter.com - Global Passport Power Rank - Travel Risk Map- Democracy Index - GDP according to IMF, UN, and World Bank - Global Competitiveness Report - Corruption Perceptions Index - Press Freedom Index - World Justice Project - Rule of Law Index - UN Human Development Index - Global Peace Index - Travel & Tourism Competitiveness Index). Wenn Sie eine Anregung, Kritik oder einen Hinweis zu dem Beitrag haben, freuen wir uns auf Ihre E-Mail an kommentar@wingsch.net. Nennen Sie dazu im Betreff bitte die Überschrift des Blogbeitrags, auf den sich Ihre E-Mail bezieht.
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