Shankill Road und Falls Road in Belfast – Jahrestag des Karfreitagsabkommens
Sonntag, 10. April 2022 - 11:00 (CET/MEZ) Berlin | Author/Destination: European Union / Europäische UnionCategory/Kategorie: Allgemein Lesedauer: 6 Minuten
Shankill Road
Nordirland und Gibraltar gehören zu den letzten Überbleibseln des britischen Kolonialreichs in Europa. Obgleich die Mitgliedschaft in der EU Nordirland bescheidenen Wohlstand gebracht hat, ging das Brexitvotum knapp für “Leave” aus, sodass Nordirland absehbar wieder zum Armenhaus Westeuropas werden wird. Seitdem nehmen die gewaltsamen Konflikte zwischen Unionisten und Republikanern erwartbar wieder zu und gefährden so die nach dem Karfreitagsabkommen erzielten Erfolge bei der Bewältigung des Konflikts.
Die Shankill Road (irisch: Bóthar na Seanchille) ist eine zentrale Straße in Belfast. Sie erhielt ihren Namen vom protestantisch-britisch geprägten Stadtteil The Shankill, eine der Hochburgen der für die Zugehörigkeit Nordirlands zum Vereinigten Königreich eintretenden Unionisten (Nordirlandkonflikt).
In der frühen zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Shankill zu einem Zentrum der Leinenproduktion. 1861 bestanden bereits 32 Mühlen, von denen sich die meisten um Shankill und Falls Road befanden. Zudem waren viele Menschen in die Stadt gekommen, um der Hungersnot von 1845 bis 1849 zu entkommen. Diese beiden Faktoren führten zu einem wachsenden Bedarf an Wohnungen, das von den Leinenindustriellen mit dem Bau von zweistöckigen Häusern mit drei Schlafzimmern, einer Küche und gemeinsam genutzten Toiletten befriedigt wurde. Diese Häuser waren von niederer Qualität; die meisten wurden innerhalb von 20 Jahren nach dem Bau wieder abgerissen. Zu den niedrigen Industrielöhnen kam, dass die Bautätigkeiten nicht mit der Einwanderung Schritt halten konnten und so bis zu drei Familien in einem Haus leben mussten. Die Menschen, die in die Shankill Road kamen, waren vor allem Menschen aus dem County Antrim im Norden, während die Falls Road von Katholiken aus dem Westen besiedelt wurde. Diese Nachbarschaft führte im 20. Jahrhundert zu großen Konflikten.
Bis 1890 war der Großteil des Shankills bebaut, so dass das angrenzende Woodvale-Quartier entstand. 1888 öffnete der Woodvale-Park, um den Einwohnern des dicht besiedelten Shankills eine Freifläche zu bieten. Um die Jahrhundertwende nahm die Bedeutung der Maschinen- und Schiffbauindustrien zu. Firmen wie die Werft Harland & Wolff boten weitere Arbeitsmöglichkeiten.
Während des zweiten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts traten viele Einwohner des Shankill in die Ulster Volunteer Force ein, um sich mit militanten Mitteln gegen die Home Rule zu wehren. Die UVF trat mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges in die 36th Ulster Division der britischen Armee ein und wurden als West Belfast 9th Bataillon Royal Irish Rifles Anfang Juli 1916 in der Schlacht an der Somme eingesetzt. Von 760 Männern vom Shankill, die in dem Regiment kämpften, kehrten nur 76 zurück.
Mit der Wirtschaftskrise der 1930er Jahre wurde die Arbeitslosigkeit erdrückend. Ein Resultat davon war, dass sich die Einwohner der Shankill und der Falls Road im Oktober 1932 zum ersten und einzigen Mal zusammentaten, um der damaligen Regierung Widerstand zu leisten. Im Zweiten Weltkrieg kamen über 100 Menschen bei nächtlichen Bombardements der deutschen Luftwaffe, dem “Belfast Blitz“, ums Leben.
Mit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kamen neben einem Niedergang der Leinen-, Schiffbau- und Maschinenbaugewerbe und der darauf folgenden Arbeitslosigkeit auch der Nordirlandkonflikt. In den 1960er Jahren sank die Bevölkerung des Shankill von 76.000 auf 26.000 und bis in die 1990er Jahre kam es regelmäßig zu Bombenattentaten und Schießereien. Heute wird das Viertel eingehend erneuert, bleibt aber mit regelmäßigen Märschen ein Zentrum des pro-britischen Unionismus in Nordirland.
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Falls Road
Die Falls Road (irisch: Bóthar na bhFál) ist die Hauptstraße eines überwiegend von katholischen-republikanisch eingestellten Iren bewohnten Wohnviertels westlich des Zentrums von Belfast. In ihrer Nachbarschaft befindet sich das Shankill-Viertel um die Shankill Road, von dem das Falls-Viertel durch Zäune, sogenannte peace lines, zur Trennung der Konfliktparteien, abgegrenzt ist.
Das Viertel war traditionell stark sozialistisch geprägt (u.a. wohnte hier zeitweise der schottisch-irische Sozialist und Gewerkschafter James Connolly). Von der Falls Road aus begannen pro-irische Republikaner in den späten 1960er Jahren ihre Kampagne für mehr Bürgerrechte in Nordirland (z.B. Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt) und für ein Ende ihrer Diskriminierung. Radikale pro-britische Unionisten stellten sich ihnen entgegen. Das Falls-Viertel wurde so vor allem 1969 und 1970 zu einem der Hauptschauplätze des nordirischen Bürgerkriegs, der sogenannten Troubles. Die britische Armee wurde in das Viertel entsandt, um die Situation zu entschärfen, wurde aber nach anfänglichem Vertrauen der Republikaner in ihre Neutralität immer mehr als Besatzungsmacht empfunden. Als Reaktion auf Anschläge der republikanischen extremistischen PIRA (Provisional IRA) wurde Anfang Juli 1970 von der Armee über das Gebiet eine dreitägige Ausgangssperre verhängt (Falls Curfew). In der Hochphase der Troubles kam es in den Falls immer wieder zu Feuergefechten der Armee auch mit der paramilitärischen Official IRA. Die britischen Truppen blieben bis 2005 in dem Viertel präsent.
Im Falls-Viertel ist durch seinen irisch-republikanischen Hintergrund die irische Sprache weit verbreitet, und es wird daher auch als das Gaeltacht Quarter Belfasts bezeichnet.
Lesen Sie mehr auf Wikipedia Falls Road (Sicher Reisen - Die Reiseapp des Auswärtigen Amtes - Wetterbericht von wetter.com - Global Passport Power Rank - Travel Risk Map - Democracy Index - GDP according to IMF, UN, and World Bank - Global Competitiveness Report - Corruption Perceptions Index - Press Freedom Index - World Justice Project - Rule of Law Index - UN Human Development Index - Global Peace Index - Travel & Tourism Competitiveness Index). Fotos von Wikimedia Commons. Wenn Sie eine Anregung, Kritik oder einen Hinweis zu dem Beitrag haben, freuen wir uns auf Ihre E-Mail an kommentar@wingsch.net. Nennen Sie dazu im Betreff bitte die Überschrift des Blogbeitrags, auf den sich Ihre E-Mail bezieht.
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