Porträt: Saladin, der berühmteste Kurde der Geschichte
Mittwoch, 26. Mai 2021 - 11:00 (CET/MEZ) Berlin | Author/Destination: Editorial / RedaktionCategory/Kategorie: Porträt Lesedauer: 10 Minuten Saladin war ab 1171 der erste Sultan von Ägypten und ab 1174 Sultan von Syrien. Als kurdischstämmiger Führer gründete er die Dynastie der Ayyubiden. Unter dem Namen “Sultan Saladin” wurde er zu einem Mythos der muslimischen Welt und vorbildhaften islamischen Herrscher. Er eroberte im Jahr 1187 Jerusalem; als erfolgreicher Gegenspieler der Kreuzfahrer wurde er oft verklärt und romantisiert. In der modernen Geschichtsschreibung wird hingegen davon ausgegangen, dass er seine Rolle als Verteidiger des Islams auch zur Legitimation seiner machtpolitischen Ziele verwendete. Tatsachen und Legenden sowie deren Vermischung und Interpretation prägten das Bild Saladins im christlichen Abendland und im islamischen Orient.
Christen und Muslime rühmten Saladins Großzügigkeit in finanziellen Dingen und dabei besonders seine Freigebigkeit. Muslime setzten ihn daher mit dem als Jesus identifizierten Mahdi gleich, der die Muslime zum wahren Islam führe und sich durch größte Freigebigkeit auszeichne. Der islamische Historiker Baha ad-Din meinte, Saladins Großzügigkeit sei weithin so bekannt gewesen, dass sie nicht gesondert erwähnt werden müsse. Es reiche mitzuteilen, dass der Herrscher über so viele Länder, als er starb, selbst nur noch 47 Silber-Drachmen und nur ein einziges Goldstück besessen habe. Saladin soll erklärt haben, ein vor ihn hintretender Bittsteller sei selbst dann nicht für sein Erröten entschädigt, wenn er ihm alles Geld aus seinem Schatz schenke. Tatsächlich war Saladin auch gegenüber seinen muslimischen Gegnern und Verbündeten großzügig und freigebig, was ihm aber auch die Kritik einiger muslimischen Zeitgenossen einbrachte. Ein Beispiel für die Einschätzung auf christlicher Seite ist die Meinung Wilhelms von Tyrus, des um 1130 in Jerusalem geborenen Kanzlers des Königreichs Jerusalem, der in Saladin zwar einen hochmütigen und ruhmsüchtigen Herrscher sah, ihm aber dennoch eine außerordentliche Freigebigkeit bescheinigte. Diese Eigenschaft Saladins scheint seinem Naturell und den Werten seiner Erziehung entsprochen haben, wurde von Saladin aber auch mit politischem Kalkül eingesetzt.
Im Abendland geriet Saladin nie in Vergessenheit, kein islamischer Herrscher des Mittelalters ist in Europa bekannter. Und obwohl er den Kreuzfahrerstaaten schweren Schaden zugefügt hatte, stand er über Jahrhunderte hinweg in besonders hohem Ansehen. Die Erinnerung an ihn wurde schon bald verklärt und romantisiert. Er ging als “ritterlicher Gegner” und “Urbild des edlen Heiden” in die europäische Geschichtsschreibung ein, obwohl er etwa nach der Schlacht bei Hattin die überlebenden Ordensritter (bis auf den Templermeister) hinrichten und die übrigen Gefangenen in die Sklaverei verkaufen ließ. Das soll den Preis für Sklaven so gedrückt haben, dass man einen christlichen Sklaven für ein Paar Sandalen eintauschen konnte. Als Gegenleistung für die Kapitulation Jerusalems soll er diejenigen Einwohner, die über Vermögen verfügten, gegen ein Kopfgeld in die Freiheit entlassen haben. 18.000 derjenigen, die dieses Kopfgeld nicht selbst aufbringen konnten, wurden für eine mühsam zusammengebrachte Pauschalsumme freigekauft. Etwa 100.000 Dinar insgesamt flossen dabei in Saladins Kasse. Die etwa 15.000 nicht Freigekauften – 7000 Männer sowie 8000 Frauen und Kinder – gerieten in Saladins Gefangenschaft. Als Saladins Bruder al-Adil das Elend der nicht Freigekauften sah, bat er den siegreichen Feldherrn, ihm 1.000 Sklaven zu schenken. Saladin erfüllte die Bitte, und sein Bruder ließ die ihm geschenkten Sklaven frei.
Besondere Beachtung fanden in Europa Saladins Beziehungen zu König Richard I. Löwenherz von England und zu Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Sein Verhältnis zu Richard Löwenherz war trotz der militärischen Gegnerschaft von großem gegenseitigem Respekt geprägt. Als Richard bei der Belagerung von Akkon erkrankte, soll Saladin ihm die Dienste seines Leibarztes angeboten und ihm Pfirsiche und Schnee vom Berg Hermon zur Kühlung von Getränken gesandt haben. Als Richard im Kampf bei Jaffa sein Pferd unter dem Leib weggeschossen worden war, habe ihm Saladin durch einen Sklaven zwei edle Araberpferde bringen lassen, damit er standesgemäß weiterkämpfen könne – was wegen der ungewöhnlich ritterlichen Verhaltensweise bei den Chronisten größtes Aufsehen erregte. Während der Kampfpausen pflegte man diplomatischen Kontakt miteinander. Gesandte nahmen an Festlichkeiten, Turnieren und Jagdausflügen teil und man sandte sich Geschenke: der Legende nach einen weißen kurdischen Jagdfalken für Richard, als Gegengabe einen andalusischen Rappen für Saladin. Um den Krieg im Heiligen Land zu beenden und nach Europa zurückkehren zu können und so seine ins Wanken geratene Herrschaft in England und Frankreich zu sichern, bot Richard Löwenherz an, dass al-Adil, Saladins Bruder, Johanna, die Schwester Richards und Königinwitwe von Sizilien heiraten solle: Sie würde die christlich kontrollierten Gebiete Palästinas erhalten, Saladin solle seinen Bruder mit dem übrigen Heiligen Land belehnen, gemeinsam als Paar von Jerusalem aus regieren und das Land allen Christen und Moslems offenstehen lassen – für Muslime und Christen damals nahezu unvorstellbar. Auch wenn diese Vorschläge von beiden Seiten letztlich nicht allzu ernst genommen wurden, macht der Vorschlag die gegenseitige Wertschätzung deutlich. Ähnliches ist von Saladins diplomatischen Beziehungen zu Friedrich I. Barbarossa überliefert, bei dem er 1173 für seinen Sohn angeblich um die Hand von dessen Tochter anhielt mit der Option, dass jener dann zum christlichen König gekrönt werden möge. Dies dürfte jedoch eine Legende sein, die später von christlichen Troubadouren verbreitet wurde. Die hierfür nach Aachen entsandte ägyptische Delegation soll ein halbes Jahr am Hof Friedrich I. verweilt haben, wo sie vermutlich über ein Bündnis gegen Byzanz verhandelte. Nach der Rückeroberung Jerusalems durch Saladin soll Friedrich I. diesen in einem Schreiben vom 26. Mai 1188 zu einem ritterlichen Duell am 1. November 1189 in der ägyptischen Ebene Zoan aufgefordert haben. Allerdings gelten dieser guten Glaubens (bona fide) in vielfältigen Formen tradierte Brief und Saladins Antwortbrief ursprünglich als englische Fälschungen.
Die Geschichte Josephs, des jüngsten Sohnes des alttestamentarischen Jakob, war zu Saladins Lebenszeit populär, zumal Joseph als Yusuf auch im Koran vorkommt. Dort gilt er als Prophet und damit als Vorgänger Mohammeds. Für Saladins muslimische Zeitgenossen lag es nahe, den Yusuf des Korans und Saladin, dessen eigentlicher Name Yusuf war, zu vergleichen und sogar gleichzusetzen. Auch Saladin selbst zog diese Parallelen. Legenden der Muslime, Juden und orientalischen Christen boten viel Stoff für Vergleiche, die darin gipfelten, dass Saladin mündlich und schriftlich als der wiedererstandene Yusuf und als Heilsbringer einer neuen goldenen Zeit apostrophiert wurde.
Anders als in Europa geriet die Gestalt Saladins im Orient bald in Vergessenheit. Die Frömmigkeit Nur ad-Dins und die schonungslose Unbarmherzigkeit Baibars I. verblieben länger im kollektiven Gedächtnis. Erst im 19. Jahrhundert rückte Saladin durch die positive Bewertung in Europa wieder in das Bewusstsein der islamischen Welt. So weckte insbesondere die Orient-Reise des deutschen Kaisers Wilhelm II. im Jahr 1898, zu deren Abschluss er das Grab Saladins in Damaskus besuchte, das Interesse der Muslime. In einer Dankesrede rühmte Wilhelm II. Saladin als einen “der ritterlichsten Herrscher aller Zeiten” und als “Ritter ohne Furcht und Tadel, der oft seine Gegner die rechte Art des Rittertums lehren mußte”.
Das Mausoleum, ein Kuppelbau im historischen Stadtzentrum von Damaskus, wurde von Saladins Sohn al-Malik al-Aziz Utman gestiftet. Er enthält zwei Sarkophage, einen hölzernen und einen marmornen. Der hölzerne mit eingelegten geometrischen Mustern und Inschriften gilt als der originale. Der linke aus Marmor ist ein im Auftrag Kaiser Wilhelms II. renovierter Sarkophag, den der osmanische Sultan Abdülhamid II. 1878 gestiftet hatte. Wilhelm II. veranlasste und finanzierte zudem eine Restaurierung der gesamten Grabkammer und spendete eine silberne Lampe mit seinem Monogramm und dem Saladins, die über dem neuen Sarkophag aufgehängt wurde, sowie einen seit 1918 im Londoner Imperial War Museum aufbewahrten, vergoldeten Lorbeerkranz mit seinem Monogramm und arabisch beschriebenen Tafeln und Bändern.
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