Porträt: Desmond Tutu, südafrikanischer Geistlicher und Menschenrechtler
Mittwoch, 27. Oktober 2021 - 11:00 (CET/MEZ) Berlin | Author/Destination: Africa / AfrikaCategory/Kategorie: Porträt Lesedauer: 9 Minuten Desmond Mpilo Tutu, CH (* 7. Oktober 1931 in Klerksdorp) ist ein südafrikanischer anglikanischer Geistlicher und Menschenrechtler. Er war von 1986 bis 1996 Erzbischof von Kapstadt und Primas der Church of the Province of South Africa. Für seine Menschenrechtsaktivitäten wurde er 1984 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Ab 1995 war er Vorsitzender der südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungskommission.
Sein Entschluss, den Lehrerberuf wegen politischer Vorgaben aufzugeben, ließ Tutu zunehmend selbst politisch aktiv werden. Seit Anfang der 1970er Jahre nutzte er seine Vorträge, um auf die Situation der schwarzen Bevölkerung aufmerksam zu machen. Als er 1975 Dekan wurde, schrieb er an Premierminister Vorster einen Brief, in dem er die Situation in Südafrika als ein “Pulverfass, das jederzeit explodieren kann” beschrieb. Dieser Brief blieb unbeantwortet, die Situation verschlimmerte sich. Schon 1976, beim Schüler- und Studentenaufstand in Soweto, begann, wovor Tutu gewarnt hatte: Der Kampf wurde gewalttätiger. Fortan setzte er sich für einen Wirtschaftsboykott seines Landes ein. Mit seiner Wahl zum Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrats (SACC) konnte Tutu dann auch mit Zustimmung fast aller Kirchen seine Arbeit gegen die Apartheid fortführen. Die Regierung versuchte, die Arbeit des SACC zu behindern, und gründete die Eloff-Kommission. Diese, auch nach ihrem Vorsitzenden, dem Richter F.C. Eloff benannte Kommission sollte die Finanzverwaltungspraxis des Kirchenrates untersuchen, um geeignete Vorwürfe gegen ihn zu finden. Offiziell trug sie den Namen “Untersuchungskommission zur Überprüfung aller Aspekte des Kirchenrates (SACC)” und wurde am 18. November 1981 eingesetzt. Tutu verteidigte sich in deren Anhörungen weitgehend selbst, indem er relevante Stellen der Bibel aufführte, die seine Haltung zur Apartheid stützten – Apartheid sei dagegen Häresie. In seiner Stellungnahme vom 1. September 1982 gegenüber der Kommission argumentierte er u.a.: “Apartheid ist genauso bösartig und verwerflich wie der Nationalsozialismus, und die Regierung wird völligen Schiffbruch erleiden, wenn sie sich auf die Seite des Bösen, der Ungerechtigkeit und der Unterdrückung stellt. … Die Regierung ist nicht Gott …” Es gelang ihm, das Interesse der Weltbevölkerung durch seine Publikationen und Auslandsreisen immer stärker auf die innenpolitische Lage in Südafrika zu lenken. Dazu trug auch die Vergabe des Friedensnobelpreises an Tutu 1984 bei. Damit konnte sich nun auch der Staatsapparat nicht mehr der Persönlichkeit Tutus entziehen. Die Ausstrahlung, die von dem Mann ausging, vor allem sein unerschütterlicher Glaube eines gewaltlosen Wandels, zog nun immer mehr weiße Südafrikaner in seinen Bann. Tutu predigte von einer Aussöhnung zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen. Er argumentierte, dass wenn der schwarze Mann nicht frei sei, es der weiße erst recht nicht sein könne, da dieser sonst in ständiger Angst vor dem schwarzen Mann leben müsse. Diesen Kreis zu durchbrechen, könne aber nur gelingen, wenn den Schwarzen ein gleichwertiges Leben ermöglicht werde. Desmond Tutu wurde zusehends zu einer Symbolfigur der Schwarzen und sowohl als Gesprächs- wie auch Verhandlungspartner von Seiten der Regierung akzeptiert. Sein Ziel der Beendigung der Apartheid wurde schließlich Wirklichkeit. Ab 1995 war Tutu Vorsitzender der Wahrheits- und Versöhnungskommission in Südafrika, die nach den Prinzipien des Satyagraha von Mahatma Gandhi arbeitete. Tutu prägte 1994 den Begriff “Regenbogennation” für das südafrikanische Volk. Der Begriff erlangte als Schlagwort große Popularität.
Desmond Tutu setzt sich für die Rechte der Palästinenser ein, Israels Politik bezeichnet er in einem Kommentar des The Guardian im Jahre 2002 als “Apartheid”: “Mein Besuch im Heiligen Land hat mich zutiefst erschüttert; es erinnerte mich so sehr an das, was uns Schwarzen in Südafrika zugestoßen war. Ich sah die Demütigung der Palästinenser an den Checkpoints und Straßensperren, die leiden mussten wie wir, als uns junge weiße Polizisten der Bewegungsfreiheit beraubt hatten.” Er unterstützt die Kampagne Boycott, Divestment and Sanctions. In einem Artikel in der britischen Wochenzeitung The Observer vom 2. September 2012 forderte er, dem früheren US-Präsidenten George W. Bush und Großbritanniens ehemaligen Premierminister Tony Blair vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen des seiner Meinung nach illegalen Angriffskrieges auf den Irak den Prozess zu machen. Die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union kritisierte er scharf.
Desmond Tutu gilt als ein Unterstützer der Rechte Homosexueller. Seine Kirche in Südafrika unterstützte die Eheöffnung für homosexuelle Paare in Südafrika, die die seiner Kirche nahestehende Partei ANC parlamentarisch befürwortete. In einer Presseerklärung in Nairobi, Kenia, ermahnte Tutu 2007 in der Debatte die anglikanischen Kirchenführer aus Afrika um die innerkirchliche Anerkennung homosexueller Paare. Im Jahr 2013 erklärte er bei einer UN-Veranstaltung, der “UN Free and Equal Campaign” in Kapstadt, er weise “religiöse Rechtfertigungen homophober Vorurteile” zurück. Er würde “keinen Gott verehren, der homophob ist”, sondern “lieber zur Hölle fahren, als einen homophoben Gott zu verehren”. Er sehe den Kampf gegen Homophobie als genauso bedeutend an wie den Kampf gegen die Apartheid. Im Mai 2016 heiratete Tutus Tochter Mpho die Niederländerin Marceline van Furth. Tutu erhielt von der anglikanischen Kirche die Erlaubnis, einen “väterlichen Segen” bei der Trauung auszusprechen.
Lesen Sie mehr auf The Desmond & Leah Tutu Legacy Foundation, Die Zeit vom 26.12.2021: Südafrika: Desmond Tutu stirbt mit 90 Jahren, Der Spiegel vom 26.12.2021: Tod des südafrikanischen Friedensnobelpreisträgers: Politiker weltweit trauern um Desmond Tutu, Süddeutsche Zeitung vom 26.12.2021: Südafrika: Erzbischof Desmond Tutu ist tot, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26.12.2021: Erzbischof gestorben: Das Vermächtnis der Generation Tutu, Handelsblatt vom 26.12.2021: Das Gewissen Südafrikas: Anti-Apartheidskämpfer Desmond Tutu ist tot, Der Tagesspiegel vom 26.12.2021: Kämpfer gegen Apartheid in Südafrika: Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu ist tot, DW vom 26.12.2021: Weltweite Trauer um Desmond Tutu, DW vom 27.12.2021: Weltweite Trauer um Desmond Tutu, Redaktionsnetzwerk Deutschland vom 30.12.2021: Südafrika verabschiedet sich: Desmond Tutus Sarg in Kapstadt aufgebahrt, Der Spiegel vom 30.12.2021: Geistlicher und Friedensnobelpreisträger: Kapstadt nimmt Abschied von Desmond Tutu. DW vom 30.12.2021: Südafrika nimmt Abschied von Friedensnobelpreisträger Tutu, Süddeutsche Zeitung vom 01.01.2022: Südafrika: Abschied von Desmond Tutu, Der Tagesspiegel vom 01.01.2022: Trauerfeier für Erzbischof in Kapstadt: Friedensnobelpreisträger Tutu plante eigene Zeremonie, Der Spiegel vom 01.01.2022: Trauerfeier in Kapstadt: Südafrika nimmt Abschied von Desmond Tutu und Wikipedia Desmond Tutu (Sicher Reisen - Die Reiseapp des Auswärtigen Amtes - Wetterbericht von wetter.com - Global Passport Power Rank - Travel Risk Map - Democracy Index - GDP according to IMF, UN, and World Bank - Global Competitiveness Report - Corruption Perceptions Index - Press Freedom Index - World Justice Project - Rule of Law Index - UN Human Development Index - Global Peace Index - Travel & Tourism Competitiveness Index). Fotos von Wikimedia Commons. Wenn Sie eine Anregung, Kritik oder einen Hinweis zu dem Beitrag haben, freuen wir uns auf Ihre E-Mail an kommentar@wingsch.net. Nennen Sie dazu im Betreff bitte die Überschrift des Blogbeitrags, auf den sich Ihre E-Mail bezieht.
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