Porträt: Ayn Rand, Vertreterin des libertären Objektivismus
Mittwoch, 24. Juni 2020 - 11:00 (CET/MEZ) Berlin | Author/Destination: Editorial / RedaktionCategory/Kategorie: Porträt Lesedauer: 10 Minuten Ayn Rand, eigentlich Alissa Sinowjewna Rosenbaum, war eine russisch-amerikanische Bestsellerautorin, die sich auch zu Themen der Ökonomie, politischen Philosophie und Ethik äußerte. Dabei vertrat die Atheistin eine Variante des Libertarismus und u. a. die Ansicht, dass Moralität in rationalem Selbstinteresse gründe, sowie einen uneingeschränkten Kapitalismus. Ihre Bücher erreichten eine Gesamtauflage von 25 Millionen Exemplaren. Rand zählt in den Vereinigten Staaten zu den einflussreichsten und meistgelesenen politischen Autoren. Ayn Rands Eltern waren russische Juden; ihr Vater stammte aus Brest-Litowsk, ihre Mutter aus St. Petersburg. Mit neun Jahren beschloss sie, Schriftstellerin zu werden. Im Jahr 1917 erlebte sie sowohl die Februarrevolution als auch die Oktoberrevolution mit. Die Besitztümer ihrer Familie (ihr Vater war Apotheker) wurden enteignet. In der Folge verarmte die Familie und zog bald darauf in die Ukraine und kurze Zeit später auf die Krim, wo die Sechzehnjährige 1921 ihren Schulabschluss machte. Im selben Jahr ging die Familie zurück nach Petrograd, wo Rand an der Petrograder Staatlichen Universität Philosophie und Geschichte studierte. 1924 ging sie nach erfolgreichem Abschluss des Studiums an das Staatliche Institut der Filmkünste, um das Drehbuchschreiben zu erlernen. Gegen Ende 1925 erhielt sie ein Ausreisevisum für einen befristeten Besuch ihrer Verwandten in den USA. Am 17. Januar 1926 verließ sie ihre Geburtsstadt und kehrte nie mehr zurück.
Am 19. Februar 1926 erreichte Rand Manhattan. Bis zum August hielt sie sich bei Verwandten in Chicago auf; in dieser Zeit verlängerte sie auch ihr Visum. Dann ging sie nach Hollywood, um dort als Drehbuchautorin zu arbeiten. Kurz nach ihrer Ankunft lernte sie den Filmregisseur Cecil B. DeMille kennen, der sie als Komparsin in seinem Film König der Könige (1927) beschäftigte; hier traf Rand ihren späteren Ehemann, Frank O’Connor. Später schrieb sie für DeMille Filmszenarios und hatte eine feste Stelle bei RKO Pictures in der Kostümverwaltung. 1931 wurde sie Staatsbürgerin der USA. Ihr erstes Drehbuch Red Pawn verkaufte Rand 1932 an Universal Pictures. Rands erstes Theaterstück Woman on Trial wurde 1934 in Hollywood uraufgeführt. 1936 wurde Ayn Rands Roman We the Living (deutsch: Vom Leben unbesiegt) veröffentlicht. Das auf ihren Jugenderfahrungen in Russland basierende Werk stellt kollektivistische Systeme als Übel dar. In den 1930er Jahren, die in den USA manchmal als Red Decade bezeichnet werden, empfanden zahlreiche amerikanische Intellektuelle, darunter John Steinbeck, starke Sympathien für die politische Linke. Wegen Rands scharfer Kritik an der Sowjetunion und dem Kommunismus lehnten deshalb viele Verleger das Buch ab; auch bei Kritikern und Intellektuellen fand das Buch keine positive Aufnahme. Rands zweiter Roman, The Fountainhead (deutsch: Der Ursprung bzw. Der ewige Quell), an dem sie über vier Jahre schrieb, kam 1943 bei der Bobbs-Merrill Company heraus. Darin entwirft Rand ihr moralisches Menschenideal, verkörpert durch den Protagonisten Howard Roark. The Fountainhead wurde zwei Jahre nach der Veröffentlichung ein Bestseller. Die Verfilmung unter dem selben Titel The Fountainhead (Regie: King Vidor, deutsch: Ein Mann wie Sprengstoff) verzögerte sich wegen des Zweiten Weltkrieges bis 1949. Zu diesem Film verfasste Rand auch das Drehbuch. Die Erzählung Anthem (deutsch: Hymne bzw. Die Hymne des Menschen), die zur gleichen Zeit wie The Fountainhead entstand, hat eine thematische Verwandtschaft mit Jewgeni Samjatins Wir und George Orwells 1984: Der Einzelne erlebt die Unterdrückung durch eine allmächtige Regierung. Der Protagonist Equality 7-2521 lehnt sich in der Erzählung gegen den Staat auf und entdeckt in einem qualvollen Kampf die eigene Individualität sowie die vergessene Geschichte der Menschheit neu. Atlas Shrugged (deutsch: Atlas wirft die Welt ab bzw. Wer ist John Galt? bzw. Der Streik), 1957 herausgegeben, ist Ayn Rands letzter Roman und ihr Hauptwerk. Es handelt von der Rolle und den Auswirkungen philosophischer Prinzipien in einer Gesellschaft. Nach Beendigung der Arbeiten an dem Roman verfiel Rand zunächst in schwere Depressionen. Atlas Shrugged wurde zum Bestseller und verkauft sich wie alle anderen Bücher Ayn Rands auch heute noch in großen Stückzahlen.
Während in der philosophischen Fachwissenschaft die Publikationen von Ayn Rand weitestgehend ignoriert oder kritisiert werden, hat Ayn Rand außerhalb der Fachwissenschaft als Autorin zu politischen Themen einen großen Einfluss insbesondere in den USA. Bei einer Umfrage der Library of Congress wurden Leser befragt, welche Bücher ihr Leben verändert hätten. Nach der Bibel wurde an zweiter Stelle Rands Werk Atlas Shrugged genannt. Die Wirkung Rands wurde mit derjenigen Karl Mays verglichen. Für einige Kreise von Anhängern wurde ein kultartiges Verhalten beschrieben, so bereits 1972 von Murray Newton Rothbard, selbst ein einflussreicher Denker des Libertarismus, und umfänglich in Jeff Walkers monographischer Studie zur populären Rezeption Rands. Insbesondere das Ayn Rand Institute wird von Walker und anderen mit z. B. Scientology verglichen. In dem 2016 erschienenen Comic Supercrash – Das Zeitalter der Selbstsucht des britischen Autors Darryl Cunningham wird die enge Lehrer-Schüler-Verbindung zwischen Ayn Rand und Alan Greenspan thematisiert und eine zumindest mittelbare Ursächlichkeit der Randschen Philosophie für den Finanzcrash von 2008 impliziert. Im Gegensatz zu der massiven Wirkung in den Vereinigten Staaten sind die Werke Rands in Deutschland lange Zeit relativ unbekannt geblieben. Seit Anfang des 21. Jahrhunderts wurden eine ganze Reihe ihrer Werke neu aufgelegt bzw. übersetzt. Ihr Hauptwerk Atlas Shrugged wurde als Atlas wirft die Welt ab erstmals 1959 übersetzt, eine weitere Ausgabe erschien unter dem Titel Wer ist John Galt? und 2012 erschien eine Neuübersetzung unter dem Titel Der Streik. Alan Greenspan, US-Ökonom und späterer Präsident der Zentralbank der Vereinigten Staaten, war eng befreundet mit Rand, publizierte in Büchern von Rand und übernahm politisch-ökonomische Ideen von Rand. In einem Interview schildert Greenspan seine Entwicklung: “Bevor ich Ayn Rand begegnete, war ich freier Marktwirtschaftler im Sinne von Adam Smith, beeindruckt von der theoretischen Struktur und Effizienz der Märkte. Ich verdanke ihr die Einsicht, dass der Kapitalismus nicht nur effizient und praktisch ist, sondern auch moralisch.” Bei den Protesten gegen die Gesundheitsreform von Barack Obama 2009 spielten das Ayn Rand Institute und sein Vorsitzender Yaron Brook eine wichtige Rolle. Michael S. Cullen meint, Rand habe mit ihren Büchern jahrelang eine Welt gepredigt, in der der Held sagt: Nur ich zähle, die Gemeinschaft zählt gar nicht, die Regierung ist schrecklich und muss weg, die Regierung verhindert mein Glück. “Diese Art von Philosophie ist von manchen Tea-Party-Anhängern mit der Muttermilch aufgesogen worden”. Die Beschäftigung mit Rand und ihren Thesen ist auch deshalb wichtig, um die Gedankenwelten weiter Teile der heutigen Republikaner besser verstehen und nachvollziehen zu können. Demgegenüber standen lange Zeit die inzwischen marginalisierten liberalen Konservativen, den sogenannten Rockefeller Republicans (entspricht in etwa dem Parteiprogramm der CDU unter Kanzlerin Merkel), die lange Zeit sogar unter anderem in New York und Kalifornien großes Gehör gefunden haben. Durch die Radikalisierung der Republikaner und der damit einhergehenden Verdrängung und Marginalisierung der liberalen Konservativen aus Ämtern und der Partei auf der einen Seite, und der auf der anderen Seite dadurch einsetzenden Ãœbernahme von Ämtern durch Demokraten in New York und Kalifornien macht es heute den Eindruck, als sei es ein ungeschriebenes Gesetz das Demokraten Kalifornien und New York regieren müssten. Tatsächlich haben es sich die Republikaner durch permanente Grenzverschiebungen nach rechts selbst eingebrockt.
Lesen Sie mehr auf biography.com – Ayn Rand, Wikiquote Ayn Rand, Wikipedia Ayn Rand Institute: The Center for the Advancement of Objectivism und Wikipedia Ayn Rand (Sicher Reisen - Die Reiseapp des Auswärtigen Amtes - Wetterbericht von wetter.com - Global Passport Power Rank - Travel Risk Map - Democracy Index - GDP according to IMF, UN, and World Bank - Global Competitiveness Report - Corruption Perceptions Index - Press Freedom Index - World Justice Project - Rule of Law Index - UN Human Development Index - Global Peace Index - Travel & Tourism Competitiveness Index). Fotos von Wikimedia Commons. Wenn Sie eine Anregung, Kritik oder einen Hinweis zu dem Beitrag haben, freuen wir uns auf Ihre E-Mail an kommentar@wingsch.net. Nennen Sie dazu im Betreff bitte die Ãœberschrift des Blogbeitrags, auf den sich Ihre E-Mail bezieht.
Das könnte Sie auch interessieren:
- Porträt: Friedrich Nietzsche, klassischer Philologe und Philosoph
- Porträt: John Locke, der Vater des Liberalismus
- Porträt: Friedrich von Schiller, Arzt, Dichter, Philosoph und Historiker
- Porträt: Johannes Gutenberg, Erfinder des modernen Buchdrucks
- Porträt: Richard Wagner, Komponist, Dramatiker, Dichter, Schriftsteller, Theaterregisseur und Dirigent
- Porträt: Pablo Picasso, Maler, Grafiker und Bildhauer
- Porträt: Oscar Wilde, irischer Schriftsteller, Lyriker, Romanautor, Dramatiker und Kritiker
- Porträt: Charles Darwin, ein britischer Naturforscher
- Porträt: Sunzi, Die Kunst des Krieges
- Porträt: Sokrates, griechischer Philosoph
- Porträt: Marcus Tullius Cicero, ein römischer Politiker, Anwalt, Schriftsteller und Philosoph
- Porträt: Carl von Clausewitz, preußischer Generalmajor, Heeresreformer, Militärwissenschaftler und -ethiker
- Porträt: Ludwig von Mises, Wirtschaftswissenschaftler und Theoretiker des klassischen Liberalismus und Libertarismus
- Porträt: Adam Smith, Begründer der klassischen Nationalökonomie
- Porträt: Raymond Loewy, ein französisch-amerikanischer Industriedesigner