Öko-Zeugnis für Olympia 2012: So grün wie nie zuvor
Donnerstag, 9. August 2012 - 13:34 (CET/MEZ) Berlin | Author/Destination: Great Britain / GroßbritannienCategory/Kategorie: Allgemein, Green Buildings, Sport, Umwelt Lesedauer: 6 Minuten London ist angetreten, die grünsten Olympischen Spiele aller Zeiten auszurichten. Ein ambitioniertes Vorhaben, das geglückt ist – bis auf wenige Ausnahmen. Eine Bilanz. Die Pläne waren ehrgeizig: Mehr grüner Strom als je zuvor in der Geschichte der Spiele, dafür weniger Müll, weniger CO2 und ein ganzes Öko-Stadtviertel hatten die Organisatoren in London versprochen. Nicht alles konnten sie einhalten – doch ihre Bemühungen können sich, mit einigen Ausnahmen, sehen lassen.
Bauarbeiten: So atemberaubend wie das Bird’s-Nest-Stadion in Peking sieht keine Sportstätte in London aus. Wichtiger als das Aussehen war die Öko-Bilanz der Bauten. Die Dachkonstruktion des Olympiastadions besteht aus alten Gas-Rohren, der Beton wurde mit 40 Prozent weniger CO2-Emissionen hergestellt. Das Kupfer auf der Außenseite der Handball-Halle ist wiederverwertet, die Hälfte des Aluminiums im Dach der Schwimmhalle ebenso. Die Bahnrad-Arena wird allein über eine geschickte natürliche Luftzufuhr belüftet, das verbaute Holz wird wieder aufgeforstet. Im ganzen Olympia-Park wurde mit den oftmals temporären Strukturen nur ein Zehntel des Stahls verbaut, der in Peking gebraucht wurde. Und das olympische Dorf ist die erste komplette Öko-Siedlung in ganz London.
Fazit: Goldmedaille.
Recycling: So ausgeklügelt sehen die Mülleimer in London sonst nicht aus. In drei Kategorien wird hier gesammelt: Kompost, Widerverwertbares und Abfall. Alle Becher, Bestecke und Essensverpackungen sind kompostierbar, alle Flugblätter aus Öko-Papier. Insgesamt sollen 73 Prozent des Mülls wiederverwertet werden, der Rest wird in einem Kraftwerk verbrannt und zu Strom verwandelt. Der Abfall der Bauarbeiten wurde sogar zu 97 Prozent wiederverwertet. Nur die Besucher sind für die Organisatoren unberechenbar: Sie ignorieren die Beschriftungen auf den Mülleimern und bringen enorm viel Plastik mit sich – und damit ein Müllproblem, das die gute Bilanz noch verschlechtern könnte. Auch die Merchandising-Produkte vom Plastik-Armband bis zum Plüsch-Maskottchen sind nicht nach Öko-Gesichtspunkten hergestellt worden.
Fazit: Silbermedaille.
Umwelt: Wo heute im Olympia-Park die größte Wildblumen-Wiese Londons blüht, standen einst die schmutzigsten Fabriken Großbritanniens. Zwei Millionen Tonnen Erde wurden im Vorfeld der Spiele abgetragen, gesäubert und wiederverwendet. Der Fluss Lea wurde von Beton, Müll und Zyanid-Spuren befreit. 4000 Molche und 300 Echsen mussten in ein großes neues Marsch-Gebiet im Osten Londons umziehen. Vögel, Fledermäuse und Otter wurden in neuen Häusern und Nestern untergebracht. Im Olympia-Park wurden 4000 Bäume, 60000 Blumen und 240000 Sumpf-Gräser angepflanzt. Dies alles wird auch nach den Spielen mit 45 Hektar der größte Park in Großbritannien bleiben.
Fazit: Goldmedaille.
Strom: Ein eigenes Windrad sollte die Spiele antreiben – 120 Meter hoch und mit zwei Megawatt ausreichend für tausend Haushalte. Doch die Idee kam nie über die Planungs-Phase hinaus, auch Solaranlagen wurden nicht installiert. Stattdessen drehen sich heute einige wenige kleine Spiralen zwischen den Sportstätten im Wind, mehr Spielzeug als ökologische Alternative.
Fazit: Disqualifiziert.
Wasser: Brauchwasser für die Toiletten und für die ebenmäßigen Rasenflächen wird in Regenbecken aufgefangen und in einer Kläranlage aufbereitet. Das Spielfeld im Hockey-Stadion wird allerdings weiter mit Trinkwasser versorgt – aus Hygiene-Gründen.
Fazit: Silbermedaille
Fazit: Silbermedaille
Transport: Olympia-Sponsor BMW kutschiert Athleten, Journalisten und Olympia-Honoratioren in neuen Hybrid-Modellen durch London. Doch oft stehen die VIP-Limousinen herum. Auch die Promis haben entdeckt, dass man schneller mit den neuen Bahn-Verbindungen in den Londoner Osten fährt. Mit jeder Eintrittskarte haben die Organisatoren ein Tagesticket für die Londoner U- und S-Bahnen verschickt. Noch niemals zuvor sind so viele Olympia-Besucher mit dem öffentlichen Nahverkehr zu den Spielen gefahren.
Fazit: Goldmedaille
Arbeitsbedingungen: In London gibt es den Mindestlohn. Und eigentlich sollten auch alle Zulieferer gute Arbeitsbedingungen garantieren. Doch die Organisatoren haben bereits zugegeben, dass sie nicht kontrollieren können, unter welchen Bedingungen die T-Shirts und Kuschel-Maskottchen hergestellt werden. Berichte zeigten Arbeiter, die in chinesischen Fabriken bis zur Erschöpfung für sechs Pfund am Tag nähen.
Fazit: In der Vorrunde gescheitert.
Sponsoren: Stark kritisiert wurden die Organisatoren für die Einbindung des Sponsoren Dow Chemical, der die Planen an der Außenwand des Olympia-Stadions finanzierte. Nach Protesten des indischen Olympia-Komitees verzichtete Dow darauf, seinen Namen auf die Außenhaut zu drucken. Kritiker beschuldigen das Unternehmen, das Schicksal der Opfer der Giftkatastrophe von Bhopal zu ignorieren. Im Jahr 1994 waren in der nord-indischen Stadt bei einem Chemie-Unfall 15000 Menschen ums Leben gekommen. Bis heute sind mindestens 600000 erkrankt. Dow Chemical kaufte sechs Jahre nach dem Unfall das Unternehmen Union Carbide auf, in dessen Fabrik das Gift austrat. Bis heute sind Boden und Wasser in der Stadt stark verseucht. Das olympische Komitee ließ mitteilen, es halte Dow für nicht verantwortlich.
Fazit: Falsche Schiedsrichter-Entscheidung.
Mit sechs Medaillen in neun Entscheidungen müssen sich die Olympischen Spiele 2012 unter umweltfreundlichen Gesichtspunkten nicht verstecken. Die Messlatte für zukünftige Spiele wurde entsprechend hochgelegt, wenngleich es auch noch Luft nach oben gibt.
Artikel gefunden auf stern.de. Weitere Informationen: London2012.com – Nachhaltigkeitskonzept (englisch). PDF-Download: Olympic Park-Übersicht (1,8 MB).
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