Die Documenta (Eigenschreibweise: documenta) ist die weltweit bedeutendste Reihe von Ausstellungen für zeitgenössische Kunst. Sie findet alle fünf Jahre statt (ursprünglich alle vier Jahre) und dauert jeweils 100 Tage; sie wird daher auch als Museum der 100 Tage bezeichnet. Die erste documenta wurde 1955 veranstaltet und ging auf die Initiative von Arnold Bode zurück. Standort der Documenta ist Kassel. Die vergangene Ausstellung, documenta 14, fand 2017 an den gleichberechtigten Standorten Kassel (10. Juni – 17. September) und Athen (8. April – 16. Juli) statt. Die aktuelle Ausstellung, documenta fifteen, findet vom 18. Juni bis zum 25. September 2022 an 32 Standorten (mit dem Hauptstandort Fridericianum) in Kassel statt. Die künstlerische Leitung wurde dem Kollektiv ruangrupa aus Indonesien übertragen, mit dem Hauptaugenmerk auf die Sichtweisen des “Globalen Südens“.
“… die documenta hat die Kunstwelt immer wieder erschüttert, ob in armen, nach Kunst dürstenden Nachkriegszeiten, in aufrührerischen Revolte-Jahren, in der unbeschwerten Epoche des ausgehenden 20. Jahrhunderts oder dem von der Globalisierung geprägten Jahrhundertwechsel. Die documenta-Geschichte ist eine Geschichte der Niederlagen, des Zweifels, der Skandale und gleichzeitig der Erneuerung, der Erkenntnis, der künstlerischen Produktivkraft. Immer aber war sie eine Erfolgsgeschichte …”
– Michael Glasmeier; Karin Stengel
Der Name der Ausstellung ist ein Kunstwort. Die Bezeichnung trägt den Anspruch insbesondere der ersten documenta von 1955 in sich, eine Dokumentation zu sein über die moderne Kunst, die den Deutschen während der Zeit des Nationalsozialismus nicht zugänglich war. Aus dem Umkreis von Arnold Bode wurde kolportiert, bei der Namensfindung habe eine Rolle gespielt, dass das lateinische Wort documentum die Worte docere “lehren” und mens “Geist” in sich trage – und damit Ziel und Anspruch der documenta gut wiedergebe.
Wie am 22. Februar 2019 bekannt wurde, entschied sich die Kommission für das Künstlerkollektiv ruangrupa aus Indonesien, das 2000 in Jakarta gegründet wurde. Die Kommission begründete ihre einstimmige Wahl wie folgt: “Wir ernennen ruangrupa, weil sie nachweislich in der Lage sind, vielfältige Zielgruppen – auch solche, die über ein reines Kunstpublikum hinausgehen – anzusprechen und lokales Engagement und Beteiligung herauszufordern. Ihr kuratorischer Ansatz fußt auf ein internationales Netzwerk von lokalen Community-basierten Kunstorganisationen. Wir sind gespannt, wie ruangrupa ein konkretes Projekt für und aus Kassel heraus entwickeln wird. In einer Zeit, in der innovative Kraft insbesondere von unabhängigen, gemeinschaftlich agierenden Organisationen ausgeht, erscheint es folgerichtig, diesem kollektiven Ansatz mit der documenta eine Plattform zu bieten.” Die Gruppe besteht aus einem festen Kern aus 10 Künstlern, insgesamt gehören zu dem Kollektiv rund 80 Menschen, von Journalisten über Architekten bis zu Videokünstlern.
Das Künstlerkollektiv ruangrupa entwickelt die kommende documenta in Anlehnung an die indonesische lumbung-Architektur (eigentlich Reisscheune) für die Lagerung von kollektiv verwalteten Lebensmitteln. Dies dient dem langfristigen Wohl der Gemeinschaft durch gemeinsame Nutzung von Ressourcen und gegenseitige Fürsorge. lumbung baut auf bestimmten gemeinsamen Werten, kollektiven Ritualen und Organisationsprinzipien auf. Diese Idee wird als Organisationsprinzip aufgegriffen. Hierfür wurden im Juni 2020 und im Februar 2021 eine Reihe von Initiativen und Organisationen als lumbung-member ausgewählt, den Entstehungsprozess der documenta fifteen zu begleiten.
Eine großartige und tolle Ausstellung, die wie gewohnt auch bei dieser Ausgabe nicht frei von interessanten Kontroversen ist (bei dieser documenta sind die Steine des Anstoßes die gelegentlich nicht ausreichenden Erläuterungen und Kontextualisierungen) und damit einmal mehr sehr deutlich macht, warum die documenta die weltweit bedeutendste Ausstellung ihrer Art ist. Daher ist ein Besuch sehr zu empfehlen. Wenn eine ausreichend große Zahl Besucher:innen die Ausstellung tatsächlich gesehen haben, könnte dies sogar zu einer sehr fruchtbaren, gesamtgesellschaftlichen Diskussion führen, die weit über die documenta hinaus reichen würde.