Vilniusser Kathedrale St. Stanislaus und St. Ladislaus
Freitag, 7. Januar 2022 - 11:00 (CET/MEZ) Berlin | Author/Destination: European Union / Europäische UnionCategory/Kategorie: Allgemein Lesedauer: 11 Minuten Die Vilniusser Kathedrale St. Stanislaus und St. Ladislaus ist die römisch-katholische Kathedrale des Erzbistums Vilnius, der Hauptstadt Litauens. Seit 1985 ist sie in den Rang einer Basilica minor erhoben. Sie ist die Pfarrkirche und die Hauptkirche im 1. Dekanat Vilnius des Erzbistums Vilnius. Die Kirche liegt am Fuße des Burghügels der Oberen Burg am Kathedralenplatz in der Altstadt von Vilnius und damit auf historischem Boden. Hier befand sich seit frühesten Zeiten eine Siedlungsstätte und so ist die Kirche aufs Engste mit der litauischen Geschichte verknüpft. Hier fanden Krönungen litauischer Großfürsten statt, hier wurden viele litauische Würdenträger begraben. Die Basilika geht in ihrer heutigen Gestalt auf einen Entwurf im klassizistischen Stil von Laurynas Gucevičius zurück und wurde 1801 fertiggestellt. Ihr Glockenturm steht wie bei vielen Kirchen im Baltikum separat. Gewidmet ist die Kirche dem heiligen Bischof Stanislaus von Krakau und dem heiligen Ladislaus I., König von Ungarn, zwei wichtigen Stützern der Katholischen Kirche im östlichen Mitteleuropa des 11. Jahrhunderts.
Die heutige Kirche wird in ihrem äußeren Erscheinungsbild durch den klassizistischen Entwurf Stuoka-Gucevičius’ geprägt, geht im Inneren jedoch auf die gotische dreischiffige Hallenkirche des 15. Jahrhunderts zurück. Stuoka-Gucevičius versah das Äußere mit einem streng antiken Aussehen: gemäß der Dorischen Ordnung tragen mächtige glatte Säulen einen Triglyphen–Fries und das Portal schließt ein mächtiges Giebeldreieck ab. Das Relief im Giebeldreieck zeigt Noahs Dankopfer nach der Errettung vor der Sintflut. Die drei Plastiken auf dem Giebel wurden 1786–1792 vom Bildhauer Karol Jelski geschaffen und zeigen den heiligen Stanislaus (Schutzheiliger Polens; links), den heiligen Kasimir (Schutzheiliger Litauens; rechts) und die heilige Helena (Mitte). Sie wurden von den sowjetischen Machthabern 1950 zerstört. Nach langen Diskussionen wurde ihre Wiederaufstellung beschlossen, und seit 1997 stehen wieder Kopien auf dem Giebel. An der linken Gebäudeseite wurde auf der Höhe des Chors eine der Kasimirkapelle baulich identische Sakristei angebaut, um der Kirche die im klassizistischen Entwurf angestrebte Symmetrie zu verleihen. Dabei wurde die Kasimir-Kapelle unverändert gelassen, so dass auch die Sakristei ein barockes Äußeres zeigt. Außerdem wurden die Grabkapellen aus dem 16. und 17. Jahrhundert mit einer einheitlichen Außenwand versehen, die Fenster nach unten hin vergrößert und um eine vorgestellte dorische Säulenreihe erweitert.
Die klassizistische Prägung wird auch im Kircheninneren durchgezogen. Die auf die gotische dreischiffige Hallenkirche aus dem 15. Jahrhundert zurückgehenden Pfeiler wurden ebenso wie die Gewölbe mit klassischen Elementen versehen. Der Hauptaltar gleicht mit seinem von schwarz-grün gesprenkelten Marmorsäulen getragenen Fries und darüberliegendem Giebeldreieck der Dorischen Ordnung des Außenbaus. Das Bild in der Mitte über dem Altar stammt von Franciszek Smuglewicz (1797) und zeigt den Märtyrertod des heiligen Stanislaus. Auf dem Altar aus dem 18. Jahrhundert steht das Tabernakel, eine äußerst wertvolle Arbeit aus der Werkstatt des Augsburger Goldschmieds Matthias Walbaum von 1623/25. Die Reliefs auf den Türen zeigen Das Letzte Abendmahl und die Predigt im Ölgarten. Das Kruzifix auf dem Altar wird von den Figuren des heiligen Stanislaus und des heiligen Kasimir eingerahmt. Rechts des Hauptaltars wurde im frühen 16. Jahrhundert die so genannte “Bischofs-Kapelle” angebaut. Ihr Name rührt von der Tatsache, dass unter ihrem Boden im weiteren Verlauf die Vilniusser Bischöfe bestattet wurden. Über dem Tabernakel, in dem heute das Allerheiligste aufbewahrt wird (daher heißt die Kapelle heute offiziell Kapelle des Allerheiligsten), hängt ein Bild von Gonzaga Nunez (1877). An den Wänden der Seitenschiffe hängen beiderseits 16 Gemälde aus der Hand von Constantino Villani aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die Szenen aus dem Neuen Testament (Nordseite) Szenen aus dem Alten Testament (Südseite) gegenüberstellen. Die Gemälde an der Altarseite (Speisung der 5.000 und Das Opfer des Melchisedech; 1785) sowie das Bild Petrus tauft den Soldaten im Gefängnis (1801) stammen von Franciszek Smuglewicz, ebenso wie die Apostel-Darstellungen zwischen den Pfeilern im Mittelschiff (1785).
Der frei stehende Glockenturm war ursprünglich ein runder Verteidigungsturm der Unteren Burg aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die Schussluken an der Außenseite sind bis heute sichtbar. Seine Fundamente stehen mittlerweile 1,2 Meter tief im Erdboden. Es wird angenommen, dass er bereits im 15. Jahrhundert als Glockenturm diente und um ein achteckiges Geschoss im gotischen Stil erhöht wurde. Im 16. Jahrhundert wurde er um zwei weitere Geschosse erhöht (~1550 und 1598). Nach dem Brand von 1610 musste auch der beschädigte Glockenturm wiederhergestellt werden. Die Uhren stammen aus dem 17. Jahrhundert, die Haube von 1897. Aufgrund seines Alters und des weichen Untergrunds steht der Turm mittlerweile leicht schief. Heute hat er eine Höhe von 52 m (57 m mit Kreuz).
Die Kasimir-Kapelle wurde in den Jahren 1624 bis 1636 auf Initiative der polnischen Könige Sigismund III. Wasa und seines Sohnes Władysław IV. Wasa gebaut. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatte die Verehrung des heiligen Kasimir neue Höhen erreicht. Kasimir war bereits 1521, weniger als 40 Jahre nach seinem Tod, heiliggesprochen worden und schon 1501 hatte Papst Alexander VI. den Besuch seiner Grabstätte in der Kathedrale mit dem Erlass aller Sünden verbunden. 1603 wurde dann anlässlich der Bestätigung seiner Heiligsprechung sein Sarg geöffnet und sein unversehrter Leichnam vorgefunden, was die Anziehungskraft noch steigerte. Kasimir war in der Bevölkerung beliebt als Verkörperung des selbstlosen, gerechten und genügsamen Herrschers. Entsprechend wird dies in der Ausschmückung der Kapelle zur Geltung gebracht. Die Kapelle steht auf quadratischem Grundriss und wird von einer achteckigen an ihrer Spitze vergoldeten Kuppel gekrönt. Sie wurde aus wertvollem Sandstein aus Schweden errichtet und mit rotem und schwarzem Marmor ausgekleidet. Sie ist in ihrem Inneren auf Arbeiten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zurückzuführen, die nach den Verwüstungen durch die russische Besatzung der Stadt 1655 bis 1660 durchgeführt wurden. In ihrer Verbindung von wertvollen Marmorwänden, Fresken und halbplastischen Stuckverzierungen weist sie starke Parallelen zur Klosterkirche in Pažaislis und zur Peter-und-Paul-Kirche in Vilnius auf, die Künstler waren die gleichen. Die Fresken malte Michelangelo Palloni (1691–1692), die die Malereien einfassenden Stuckarbeiten stammen von Pietro Perti. Die Fresken zeigen das “Wunder am Sarg des heiligen Kasimir” (rechte Seite) und die “Öffnung des Sargs des heiligen Kasimir” (linke Seite). Die Deckengemälde zeigen über dem Altar Kasimir, der von einem Engel Kreuz und Lilie erhält und die Lobeshymne Omni die dic Mariae singt, sowie über dem Eingang Kasimirs Kampf mit der Versuchung und seinen Sieg über die Versuchung. Letztere beide Gemälde stammen aus der Hand Franciszek Smuglewicz’ (1797). Der Leichnam Kasimirs ist in einem aufwändig gearbeiteten silbernen Sarg aufbewahrt, der bis 1747 fertiggestellt wurde. Die auf ihm thronende Figur des heiligen Kasimir stammt vom früheren Sarg. Der Sarg steht über dem Altar der Kapelle, den ein mit Silber ausgeschlagenes Bild des Heiligen ziert, das von der Bemalung nur mehr drei Hände frei gibt. Das Gemälde geht etwa auf 1520 zurück und wurde 1594 erneuert. Eventuell wurde damals versucht, die Stellung der rechten Hand, in der Kasimir Lilien (Symbol der Keuschheit und Attribut Marias) hält, zu verändern. Diese Übermalung jedoch zeigte sich wieder und wurde kurzerhand zum Wunder erklärt. Die Silberbeschlagung wird zeitlich mit der Aufbahrung des heiligen Kasimir in der fertiggestellten Kapelle in Verbindung gebracht (1636). In den Nischen stehen die versilberten Figuren unbekannter Herrscher. Sie stammen wohl aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und werden erstmals 1755 erwähnt. Ihre Herkunft ist unbekannt.
Die erste Kapelle links (nördlich) vom Eingang ist die Valavičius-Kapelle, auch Bischofskapelle genannt. In ihr waren bis 1604 die sterblichen Überreste des heiligen Kasimir aufbewahrt worden, sie hieß damals Königliche Kapelle. Bischof Valavičius ließ die Kapelle als seine Grabstätte herrichten. Die Stuckarbeiten zeigen unter anderem die vier Evangelisten, die vier Fresken an der Decke die vier wichtigsten Stationen aus dem Leben Marias: Verkündigung, Heimsuchung, Himmelfahrt und Krönung. Die Grabplatte des Bischofs (1572–1630) befindet sich an der rechten Seitenwand.
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