Montag, 27. Juni 2016 - 11:00 (CET/MEZ) Berlin | Author/Destination: Editorial / Redaktion Category/Kategorie: PorträtLesedauer: 7Minuten
John Jacob Astor by Gilbert Stuart
Die Familie Astor ist eine in den Vereinigten Staaten und Großbritannien lebende Familie deutscher Abstammung, die im 19. Jahrhundert zeitweise als reichste Familie der USA galt. Ihre Wurzeln liegen in Walldorf (Baden). Als Begründer der Familie wird der deutsche Auswanderer Johann Jakob Astor angesehen, der nach der Amerikanischen Revolution in die USA einwanderte und sein Vermögen im Pelzhandel (American Fur Company) und später im Immobiliengeschäft, insbesondere im aufstrebenden New York, machte. Ein Zweig der Familie wurde im späten 19. Jahrhundert in Großbritannien ansässig und ist dort Inhaber der erblichen Adelstitel Viscount Astor und Baron Astor of Hever.
Astor wuchs in sehr bescheidenen Verhältnissen auf. Bereits mit 16 Jahren verließ er seinen Geburtsort, wie auch seine drei älteren Brüder, George Peter Astor, Henry Astor und John Melchior Astor, die sich als Soldaten und Handwerker ins Ausland aufmachten, um den unglücklichen Verhältnissen zu entkommen. Zunächst blieb er in London bei seinem Bruder Georg Peter Astor, der dort Holzblasinstrumente und Klaviere fertigte. Außerdem betrieb der Bruder einen Musikalienverlag. Johann Jacob verbrachte drei Jahre als Lehrling in der Firma Broadwood & Sohn. Das dort verdiente Geld sparte Astor für die Möglichkeit nach Amerika auswandern zu können. Im November 1783 schiffte er sich auf der North Carolina in England ein. Die Überfahrt verzögerte sich durch Stürme um vier Monate. In Sichtweite der amerikanischen Küste fror das Schiff fest. Nach einigen Tagen, in denen der Kapitän des Schiffes zur Verpflegung der Passagiere verpflichtet war, entschloss sich Astor über das Eis an Land zu gehen und erreichte am 24. März 1784 die Ostküste Nordamerikas in der Nähe von Baltimore. Dort blieb er eine Weile und erreichte noch im Frühling 1784 New York. In New York lebte bereits der Bruder Heinrich (Henry) Astor als Metzger. Johann Jakob Astor nutzte seine Londoner Erfahrungen und baute einen Musikalienhandel auf. Johann Jakob importierte Instrumente seines Bruders aus London nach New York. Damit sicherte sich der junge Einwanderer seine Existenz. 1785 begann er sich mit dem Pelzhandel zu beschäftigen, der in dieser Zeit von den britisch-kanadischen Unternehmen, der Hudson’s Bay Company und der North West Company beherrscht wurde. Zentrum des nordamerikanischen Pelzhandels war das kanadische Montreal. Von hier mussten die Pelze aufgrund des britischen Zollsystems in die Hauptstadt der britischen Krone, London, verschifft werden, bevor sie in andere Länder wie in die USA importiert werden konnten. Davor schreckten die amerikanischen Kaufleute zurück. Doch Johann Jakob Astor, der durch den Import von Instrumenten erste Erfahrungen im Transatlantikhandel erworben hatte, wagte dieses Unterfangen. Ab 1787 verbrachte er jedes Jahr den Sommer in Montreal, kaufte Pelze und ließ sie über London nach New York bringen, wo er sie gewinnbringend verkaufte. Schnell wurde er so zum größten Pelzhändler der Vereinigten Staaten.
Schon seitdem er im großen Rahmen Pelzhandel betrieb, hatte Astor planmäßig Land in der Nähe von Manhattan erworben. Spätestens fünf Jahre nach seiner Ankunft in New York erwarb Astor am 17. Mai 1789 von seinem Bruder Henry zwei Grundstücke an der Bowery Lane, Ecke Elizabeth Street für je 625 Dollar. Und in den Jahren 1789 bis 1791 hatte er fünf Grundstücke erworben, war allerdings bis 1800 in der Hoffnung auf hohen Wiederverkaufswert mehr interessiert an Ländereien in Lower Canada und New York State. Nach seinem Ausstieg aus dem Pelzhandel investierte er noch stärker in Immobilien im damaligen Umland von New York-Stadt. Astor setzte zu Recht auf das Wachstum der Stadt. Tatsächlich setzte ein Bevölkerungsboom ein und seine Immobilien waren ein Vielfaches dessen wert, wofür er sie zuvor erstanden hatte. In der Innenstadt bot er an, mit Hypothekenangeboten einzuspringen, wenn irgendein New Yorker Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten war. Konnte dieses Unternehmen nicht zahlen, so fiel das Grundstück für einen Bruchteil des tatsächlichen Wertes an ihn. Er baute selbst kaum Gebäude, sondern verpachtete die Grundstücke an Bauherren, meist für einen Zeitraum von einundzwanzig Jahren. Danach fiel das Grundstück mitsamt Gebäude zurück in seinen Besitz.
Astor war zweifellos ein begabter Unternehmer, er war aber auch machtbesessen und schreckte auch vor moralisch eher zweifelhaften Geschäftspraktiken wie seinem Opiumhandel mit China etwa zwischen 1808 und 1818 nicht zurück. Auf der anderen Seite hat er viel Geld für wohltätige Zwecke aufgewendet. Astor hinterließ die damals unvorstellbare Summe von 20 Millionen Dollar – umgerechnet auf heute wären dies ca. 110 Milliarden US-Dollar. Seine Nachkommen haben dieses Vermögen durch Immobilienhandel erheblich ausgeweitet. Die Familie war bereits lange vor den Vanderbilts oder Rockefellers außerordentlich vermögend und hatte großen politischen Einfluss. Viele Jahre lang wurden die Mitglieder der Familie Astor als “die Vermieter von New York” bezeichnet. In New York City ist die Familie Namensgeberin des berühmten Waldorf-Astoria Hotel in Manhattan, der Astor Row in Harlem, des Astor Court in Manhattan, Astor Place in Manhattan und der Astor Avenue in der Bronx, wo die Astors ihre Pferdestallungen unterhielten. Der Bezirk Astoria in Queens ist auch nach der Familie benannt. Auch außerhalb von New York City hat die Familie Spuren in der Geschichte und Geographie der USA hinterlassen. So finden sich zum Beispiel in den Bundesstaaten Florida, Georgia, Iowa, Kansas, Illinois, Missouri, Ohio, South Dakota und Oregon ganze Städte mit den Namen Astor und Astoria. Auch auf Mackinac Island, in Michigan und Newport in Rhode Island, mit ihrem Sommerhaus, Beechwood findet sich der Name wieder. Im Grand Hotel auf Mackinac Island, gibt es die Lord and Lady Astor Suites. Der Hotelsalon wird Astor’s genannt.