Porträt: Der Philosoph, Politiker, Diplomat, Chronist, Schriftsteller und Dichter Niccolò Machiavelli

Mittwoch, 22. Mai 2019 - 11:00 (CET/MEZ) Berlin | Author/Destination:
Category/Kategorie: Porträt
Lesedauer:  20 Minuten

Niccolò Machiavelli by Santi di Tito

Niccolò Machiavelli by Santi di Tito

Niccolò di Bernardo dei Machiavelli (* 3. Mai 1469 in Florenz, Republik Florenz; † 21. Juni 1527 ebenda) war ein italienischer Philosoph, Politiker, Diplomat, Chronist, Schriftsteller und Dichter. Vor allem aufgrund seines Werkes Il Principe (Der Fürst) gilt er als einer der bedeutendsten Staatsphilosophen der Neuzeit. Machiavelli ging es hier – im Ansatz neutral – darum, Macht analytisch zu untersuchen, anstatt normativ vorzugehen und die Differenz zwischen dem, was sein soll, und dem, was ist, festzustellen. Er orientierte sich in seiner Analyse an dem, was er für empirisch feststellbar hielt. Sein politisch-philosophisches Werk Discorsi ist darüber in den Hintergrund getreten. Der später geprägte Begriff Machiavellismus wird oft als abwertende Beschreibung eines Verhaltens gebraucht, das zwar raffiniert ist, aber ohne ethische Einflüsse von Moral und Sittlichkeit die eigene Macht und das eigene Wohl als Ziel sieht. Sein Name wird daher heute häufig mit rücksichtsloser Machtpolitik unter Ausnutzung aller Mittel verbunden.

Machiavellis Buch Il Principe (Der Fürst) steht nur stilistisch in der langen Tradition der Fürstenspiegel, inhaltlich waren diese für ihn “hohles Geschwätz”, geprägt von “Wunschdenken”. Er bricht mit der Tradition normativer Fürstenspiegel bereits damit, dass sein Fürst kein Erbfürst ist, sondern sich den Thron im politischen Spiel selbst errungen hat. Nach Volker Reinhardt formuliert Machiavelli in diesem Werk als erster überhaupt die Grundsätze der Staatsräson, dass nämlich ein Herrscher, um die elementaren Notwendigkeiten des Staates zu erfüllen, “die Gesetze der traditionellen Moral verletzen” können müsse, sonst gehe er mit dem Staat zusammen unter. Für einen Herrscher sei es demnach gleichgültig, ob er als gut oder als böse gilt, wichtig sei nur der Erfolg, der voraussetzt, vom Volk nicht gehasst zu werden und folgende drei Gebote zu beachten: “Du sollst dich nicht an den Gütern deiner Untertanen gütlich tun; du sollst dich nicht an ihren Frauen vergreifen; du sollst nicht einfach aus Spaß töten.” Zudem verlange erfolgreiche Politik außerdem “die Kunst, den richtigen Schein zu erzeugen.” Machiavelli schreibt im Fürstenbuch:

“Die Menschen urteilen im Allgemeinen nach dem Augenschein, nicht mit den Händen. Sehen nämlich kann jeder, verstehen können wenige. Jeder sieht, wie du dich gibst, wenige wissen, wie du bist. Und diese wenigen wagen es nicht, sich der Meinung der vielen entgegen zu stellen. Denn diese haben die Majestät des Staates zur Verteidigung ihres Standpunkts.”
Niccolò Machiavelli

Der Fürst muss die traditionelle Moral vorgeblich wahren können, aber er darf auch – im Interesse der Staatsräson – vor Gewalt und Terror nicht zurückschrecken. Machiavelli untersucht verschiedene erfolgreiche Fürsten der Geschichte. Francesco I. Sforza kommt in seinem Urteil dem Ideal recht nahe, aber nur Cesare Borgia könnte ein perfekter Fürst sein, weil er den Mut hatte, seine Feinde in Senigalla zu ermorden, und weil er seine Macht in den eroberten Gebieten geschickt erhielt. Er beging jedoch einen Fehler, als er, nachdem sein Vater gestorben war, dem neuen Papst vertraute, der ihn schließlich jedoch entmachtete. Borgia also “wurde gewogen und zu leicht befunden.” Einen perfekten Fürsten kennt die Geschichte in Machiavellis Augen also nicht, er verspricht jedoch, dass die Anleitung des Principe es ermögliche, zum perfekten Fürsten zu werden. Machiavelli widmete das Buch Lorenzo di Piero de’ Medici. In der Schlusspassage gab Machiavelli Lorenzo die Aufgabe, Italien von den Barbaren zu befreien und zu einen. Deshalb verehrte man Machiavelli im 19. Jahrhundert als Ahnherren der italienischen Nationalbewegung, was laut Volker Reinhardt nicht zutrifft; Machiavelli habe nur “eine gemeinsame Abwehrfront” gegen Eingriffe von außen bilden wollen. Außerdem betrachtet Volker Reinhardt das Buch als ein Bewerbungsschreiben an Lorenzo. Volker Reinhardt sieht in dem Werk einen “Bruch mit der politischen, philosophischen und theologischen Tradition.” Die Macht wurde von der traditionellen Moral freigesprochen. Nach Reinhardt löste das Werk zwei “Schockwellen” aus, die eine dadurch, “dass der Politik die Maske der Wohlanständigkeit heruntergerissen und Herrschaft als Inszenierung der Propaganda entlarvt wurde”, die zweite, indem “diese bestürzenden Fakten beschrieben, analysiert und ohne jeden Aufruhr zur ethischen Besinnung akzeptiert wurden.” Den ersten bekannten Kommentar zu diesem Werk machte Francesco Vettori in einem Brief vom 18. Januar 1514. Il Principe wurde Lorenzo di Piero de’ Medici gewidmet, nachdem der Autor das Werk zuerst Giuliano di Lorenzo de’ Medici hatte widmen wollen. “Diese Widmungen Machiavellis enthalten ungeachtet des Themas klare und scharfe, mit den Mitteln humanistischer Rhetorik ausgestaltete Kritik an den Medici des Cinquecento“, für die er nur Verachtung übrig hat. Als der wichtigste Berater Lorenzos, Francesco Vettori, diesen auf das Werk hinwies, zeigte Lorenzo kein Interesse daran. “He had absolutely no interest in reading a work like The Prince, and if, he had read it, he would not understand it.” In seinem berühmtesten Werk beschreibt nach Hoeges Machiavelli, wie ein Herrscher politische Macht gewinnen und bewahren kann, wobei das politische Ziel die Errichtung einer Republik sein sollte. Das Werk wird oft als Verteidigung des Despotismus und der Tyrannei solcher machtbewussten Herrscher wie Cesare Borgia verstanden, aber Borgia, so postuliert Hoeges, ist “nicht der «principe» Machiavellis”. Borgia ist gefährlich, “aber Gefährlichkeit macht keinen principe.” Borgia ist unglaubwürdig, aber nach Machiavelli muss ein Fürst glaubwürdig sein. Hoeges äußert sich dazu folgendermaßen: “Was er [Borgia] verkörpert, ist die furcht- und schreckenserregende Darstellung von Macht, die sich im Ausnutzen des Augenblicks, im virtuosen Vabanque, d.h. riskantes Unterfangen, zeigt und bis zum nächsten Mord reicht.” In Machiavellis “Herrschernovelle «Castruccio Castracani» [entwirft …] er seinen Modellfürsten, den «principe nuovo»” (Neuer Fürst), aber “«Il Principe» kennt keinen realen Akteur, der den Fürsten verkörpert. Als Typus ist er [der neue Fürst] ein humanistisches Konstrukt, zusammengesetzt aus Mythos, Geschichte und Gegenwart, und als Projektion derealisiert.” Das heißt, Machiavelli konstruiert einen Idealfürsten, der aber von keiner lebenden Person je erreicht werden kann. Moses kommt, so sieht es Hoeges, “mehr als jeder andere” dem Idealfürsten nahe. Nach Maurizio Viroli bricht Machiavelli in dem Fürstenbuch mit zwei Traditionen. Ein guter Fürst sollte nach den alten Traditionen nicht wild und brutal wie ein Löwe sein und nicht so listig und täuschend wie ein Fuchs, sondern er sollte tugendhaft herrschen. Machiavelli lehrt nach Viroli genau das Gegenteil. Viroli zitiert eine Stelle aus dem Werk:

“Und weil denn ein Fürst imstande sein soll, die Bestie zu spielen, so muss er von diesen den Fuchs und den Löwen annehmen; denn der Löwe entgeht den Schlingen nicht, und der Fuchs kann dem Wolf nicht entgehen. Er muß also ein Fuchs sein, um die Schlingen zu kennen, und ein Löwe, um die Wölfe zu schrecken.”
Niccolò Machiavelli

Als zweites bricht Machiavelli mit der Tradition, dass ein Fürst generös sein muss, indem er Freunde beschenkt und auch selber im Luxus zu leben hat. Ein Fürst, der dies befolgt, schmeichelt aber nur ein paar Mitläufern und ruiniert mit dem Luxusleben sein Fürstentum. Nach Viroli lehrt Machiavelli aber nicht, dass der Zweck die Mittel heilige, sondern dass der Fürst nicht fürchten muss, brutal und geizig zu sein, und er das Notwendige machen muss, um das Ziel zu erreichen.

In dem Werk Discorsi, welches vermutlich parallel zum Fürstenbuch entstand, entwickelt Machiavelli das vor dem Hintergrund des Il Principe scheinbar erstaunliche Ideal einer Republik ohne Fürsten. So soll “Macht und persönlicher Status stets getrennt“ und der „Staatsschatz stets wohlgefüllt, der Bürger hingegen arm” sein. Die Discorsi sind ein Kommentar zum Geschichtswerk des Titus Livius, der die Geschichte der römischen Republik beschreibt. Machiavelli zieht die römische Geschichte heran, um aus ihr seine Überzeugungen zu gewinnen und zu festigen: “Über alles, auch über sich selbst, konnte Machiavelli spotten, doch nicht über die Größe Roms. Dieser Glaube verlieh ihm Halt, Orientierung, Gewissheit und ein Quäntchen Optimismus in den Jahren der politischen Kaltstellung und Isolation.” Machiavelli war nach Maurizio Viroli erstaunt, dass die Juristen zu seiner Zeit sich an das römische Recht anlehnten, die Künstler die klassische Kunst imitierten und die Ärzte von der Antike lernten, aber “kein Herrscher und kein Freistaat, kein Feldherr und kein Bürger auf die Beispiele früherer Zeiten zurück[griff]”. Für Maurizio Viroli wurden die Discorsi ein intellektueller und politischer Wegweiser für alle, die eine freie Republik begrüßen. Während Machiavellis Lebenszeit erlangten die Discorsi kaum eine Bedeutung. Beide Werke waren vorerst nur zur Lektüre durch ausgewählte Leser bestimmt. Francesco Guicciardini konnte die Discorsi nach Machiavellis Tod lesen und kritisierte die Romgläubigkeit besonders, da “Livius’ Erzählung von der römischen Frühzeit aus patriotischen Sagen bestand [, aber Machiavelli] las diese erbaulichen Legenden als lauter Wahrheit”. Außerdem könne man die Zeit der römischen Republik nicht mehr mit dem Florenz des 16. Jahrhunderts vergleichen.

Im August 1521 wurde Über die Kunst des Krieges (Dell’Arte della Guerra) gedruckt. Geschrieben hat Machiavelli dieses Werk auch für seine Freunde der Orti Oricellari Gruppe. Mit ihnen verkehrte Machiavelli in dieser für ihn unbefriedigenden Zeit, was ihm half, seinem Leben einen Sinn zu verleihen. Gewidmet ist es Lorenzo di Filippo Strozzi, der ihn während der dunklen Jahre gelegentlich beschenkte und ihn bei Kardinal Giulio de’ Medici eingeführt hatte. Maurizio Viroli behauptet, dass für Machiavelli die Praxis der Kriegskunst der Abschluss und die Grundlage des zivilen Lebens ist. Machiavelli ist sich bewusst, dass Krieg verheerende Folgen hat, aber eine Republik oder ein Fürstentum muss sich verteidigen können. Ein Herrscher muss den Frieden lieben und wissen, wann er Krieg führen muss. Das Werk wurde von bedeutenden Zeitgenossen wie Kardinal Giovanni Salviati angepriesen. Im 16. Jahrhundert wurde Über die Kunst des Krieges sieben Mal nachgedruckt und in verschiedene Sprachen übersetzt.

Memorial plate to Niccolò Machiavelli, Via Guiccardini, Florence © JohannMöller/cc-by-sa-3.0 Niccolò Machiavelli by Santi di Tito Tomb of Niccolò Machiavelli in the Basilica Santa Croce, Florence © Jebulon Casa di Machiavelli in Val di Pesa © Sailko/cc-by-3.0
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Memorial plate to Niccolò Machiavelli, Via Guiccardini, Florence © JohannMöller/cc-by-sa-3.0
Im Auftrag des Kardinals Giulio de Medici verfasste Machiavelli von 1521 bis 1525 seine Abhandlung über die Geschichte von Florenz, die den Zeitraum von der Gründung der Stadt bis zum Tode Lorenzos des Prächtigen abdeckt. Diese Geschichte der Florentiner Innenpolitik und Parteikämpfe ist keine zuverlässige Historiographie, sondern folgt mit historischen Lehrstücken in rhetorischer Sprache (Historia magistra vitae) humanistischen Traditionen und exemplifiziert – besonders durch den Einbau fiktiver Reflexionen und Reden der beschriebenen Akteure – Machiavellis politische Ideen.

Nach Alessandro Pinzani wird die “traditionelle aristotelische Definition des Menschen als zôon politikon” von Machiavelli verworfen. “Der Mensch ist in Machiavellis Augen ein Wesen, für das kein Ideal von individueller Vervollkommnung – wie bei Aristoteles – mehr gilt. Somit wird auch die teleologische Geschichtsauffassung des politischen Aristotelismus verworfen, wonach das Telos der Geschichte die Vervollkommnung der menschlichen Natur – sprich: der politischen Natur des Menschen – sei. Die politische Gesellschaft entsteht nach Machiavelli nicht aufgrund irgendeines Plans der Natur, sondern durch Zufall (Discorsi I 2,11)”. Machiavelli sieht die Geschichte „keineswegs in einem kontinuierlichen Fortschritt ‚zum Besseren‘, wie Kant und Hegel später behaupten werden, noch ist sie als Heilsgeschichte zu lesen“. Die “Menschheit bewegt sich vielmehr unendlich in einem Kreis”. Nach Alessandro Pinzani übernimmt Machiavelli durch Polybios Platons Theorie des Verfassungskreislaufes. Deswegen ist das Minimalziel für Machiavelli nur, “die unausweichliche Dekadenz der Republik möglichst zu verlangsamen”. Deswegen muss die Verfassung der Republik eine Mischform sein. So schreibt Machiavelli in den Discorsi folgendes:

“Nach meiner Meinung sind daher alle diese Staatsformen verderblich, und zwar die drei guten wegen ihrer Kurzlebigkeit und die drei anderen wegen ihrer Schlechtigkeit. In Erkenntnis dieser Mängel haben weise Gesetzgeber jede der drei guten Regierungsformen für sich allein vermieden und eine aus allen dreien zusammengesetzte gewählt. Diese hielten sie für fester und dauerhafter, da sich Fürst, Adel und Volk, in ein- und denselben Staat zur Regierung vereinigt, gegenseitig überwachen”
Niccolò Machiavelli

Alessandro Pinzani stellt einen Geschichtszyklus vor, der die Discorsi nach seiner Meinung durchzieht: Nach einer “wohlgeordneten Republik” entsteht durch “Sittenverfall und politischer Dekadenz” der “Zustand der Anarchie“. Die Anarchie wird durch eine “Neuordnung durch einen Fürsten bzw. Gesetzgeber” wieder zu einer “wohlgeordneten Republik” werden usw. August Buck behauptet, dass Machiavelli den Verfassungskreislauf zwar übernommen, aber verändert hat: “Während Polybios’ an die ständige Wiederholung des Zyklus glaubt, bezweifelt Machiavelli, daß ein und derselbe Staat den Zyklus häufiger durchläuft, da dieser meist vorher durch äußere Einwirkungen beendet wird.” Gennaro Sasso bemerkt dazu, dass “die Mischregierung tatsächlich den endgültigen Abschluß des Zyklus der wiederkehrenden Staatsverfassungen” bei Machiavelli ist. Nach Dirk Hoeges ist die Geschichtsschreibung Machiavellis hervorgegangen aus einer Kritik an der bisherigen Geschichtsschreibung, die die inneren Angelegenheiten der Stadt Florenz verdrängt und die äußeren hervorgehoben habe; diese sah er als eine parteiische Geschichtsschreibung an, in der die Konflikte innerhalb der Stadt ausgeblendet würden. “Die absichtliche Eliminierung der inneren Geschichte durch Leonardo Bruni und Poggio Bracciolini, Sympathisanten der Medici, bewirkt eine Änderung seiner eigenen Konzeption, die Geschichte der Stadt zu schreiben.” Hoeges zufolge entdeckte Machiavelli dadurch das “elementare Movens ihrer Geschichte […], das in Destruktion und Zwietracht, in Disharmonie und konkurrierenden zerstörerischen Gegensätzen lag.” Das Fehlen dieser Elemente habe verhindert, dass Florenz so groß wurde wie Rom oder Athen. Peter Schröder zufolge ähneln die Gedankengänge Machiavellis dem Konzept des Soziologen Max Weber in seinem Vortrag Politik als Beruf, in dem dieser dem Verantwortungsethiker mehr politischen Sachverstand einräumt, weil er mit der Schlechtigkeit der Welt rechne, als einem Anhänger der Gesinnungsethik. Schröder postuliert: “Der Unterschied zwischen Machiavelli und Weber liegt allein darin, dass erster diese Tatsache ungeschminkt ausspricht, während Weber sie in ein gefälliges, sozusagen zivilisiertes Vokabular kleidet.”

Virtù (Tugend/Tüchtigkeit) ist der Kernbegriff in Machiavellis Theorie und politischer Lehre.” Unter dem Begriff virtù versteht Machiavelli die politische Energie bzw. den Tatendrang, etwas zu tun. “Seine an der politischen Realität orientierten Ratschläge sind nicht auf ein wünschbares (Tugend)-Ideal ausgerichtet, sondern auf ihre Tauglichkeit für die Praxis.” Sowohl einzelne Menschen als auch ganze Völker können Träger dieser Kraft sein. Diese virtù ist nie gleich verteilt. Wo sie allerdings war, führte sie zu großen Reichen. So hatte das Römische Reich eine so große Macht erreicht, weil seine Anführer und sein Volk von viel virtù beseelt waren. Folglich kann man diese metaphysische Kraft nicht erzwingen, aber man kann günstige Voraussetzungen für sie schaffen, z.B. in der Struktur der Verfassung. Die Bürger müssen zur virtù erzogen werden. Gegenspieler der virtù ist die fortuna in Anlehnung an die Glücks- und Schicksalsgöttin der Römischen Mythologie. Sie steht für das Schicksal, den Zufall, aber auch für die Gelegenheit. Sie ist der unberechenbare Faktor in der politischen Rechnung. “Diese Begrifflichkeit erlaubt es Machiavelli, mit christlichen Vorstellungen zu brechen.” Machiavelli sieht den Herrscher immer in einem Kampf gegen fortuna. Allerdings macht diese nur etwa die Hälfte des Erfolges aus; die andere Hälfte ist bestimmt durch Willenskraft (virtù) und praktische Vorbereitung. Für letzteres stellt ein großer Teil von Machiavellis Werk einen praktischen Ratgeber für Soziales Handeln dar. Weitere wichtige Begriffe sind laut Schröder ambizione (Ehrgeiz), necessità (Notwendigkeit) und occasione (Gelegenheit). Ambizione stellt für Machiavelli die entscheidende Triebfeder menschlichen Handelns dar. “Dieser Begriff ist […] bei Machiavelli weitgehend negativ konnotiert, da der Ehrgeiz häufig das Allgemeinwohl den privaten, egoistischen Interessen unterordnet.” Necessità “wird von Machiavelli als Ausdruck der politischen und staatlichen Ausnahmesituation eingeführt.” Wenn ein politisches Gemeinwesen durch innere oder äußere Bedrohungen gefährdet ist, bilden moralische Bedenken eine untergeordnete Rolle; man wird gezwungen, amoralisch zu handeln. Zum Zwecke der Selbstbehauptung sind dann alle Mittel erlaubt. Occasione “beschreibt den historischen Augenblick, den ein besonderer, tugendhafter Mann (uomo virtuoso) oder auch die Führungsschicht eines Staates zu nutzen verstehen muss, um sich als Gesetzgeber oder Feldherr auszuzeichnen.” Fortuna kann, schreibt Machiavelli, nicht nur negativ wirken, sondern eine günstige Gelegenheit schaffen, in der ein guter Herrscher Gutes bewirken kann zum Wohle der Allgemeinheit, aber in der ein schlechter Herrscher dies auch ausnützen wird.

Neben politischen und philosophischen Schriften verfasste Machiavelli drei Komödien. Andria ist eine Übersetzung der gleichnamigen Terenz-Komödie. Die Mandragola ist eine eigenständige Komödie, die bis heute aufgeführt wird. Sie handelt von einem Jüngling, der sich in die Frau eines einflussreichen Florentiner Arztes verliebt und diese mit Raffinesse und Intrige erobert. Diese Komödie wurde vielfach als politische Allegorie gelesen. Ihr Entstehungsdatum (vermutlich 1518) ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Ihr folgt die 1525 uraufgeführte Komödie Clizia, eine Auftragsarbeit, die das Niveau der Mandragola nicht ganz erreicht. Clizia ist stofflich an die Casina von Plautus angelehnt, aber keine direkte Übersetzung mehr. Handlungsort und -zeit wurden vom antiken Griechenland ins zeitgenössische Florenz verlegt. Zu Machiavellis satirischen Werken zählt neben frühen Spott- und Karnevalsliedern auch eine Novelle mit dem umfangreichen Titel:

“Der Erzteufel Belfagor wird von Pluto auf die Erde gesandt, mit der Verpflichtung, eine Frau zu nehmen. Er kommt, nimmt eine Frau, und unvermögend ihren Hochmut zu ertragen, kehrt er lieber in die Hölle zurück, als sich wieder mit ihr zu vereinigen.”

In Machiavellis Werken findet sich oft ein ausgeprägter Zynismus. In einem Brief an Francesco Guicciardini schreibt er:

“Ich sage nie mehr, was ich glaube, und glaube nie mehr, was ich sage, und wenn mir doch einmal ein wahres Wort entschlüpft, verstecke ich es gleich hinter soviel Lügen, dass es nicht wieder zu finden ist.”

Machiavellis dramatisches Schaffen umfasste sechs Werke, von denen nur die drei oben erwähnten erhalten sind. Während des Rinascimento und der Besinnung auf die alten Meister der Antike begannen um 1500 verstärkt Übersetzungstätigkeiten, die eng mit dem Prinzip der imitatio verbunden waren. Neben der Dramengattung Tragödie erhielt die im Mittelalter gering geschätzte Komödie unter Berufung auf Terenz und Plautus einen höheren Stellenwert. Durch das die imitatio ergänzende Prinzip der aemulatio entstehen aus Machiavellis Feder das verloren gegangene Stück Le Maschere nach Aristophanes, von dessen Existenz wir durch Machiavellis Neffen Giuliano de’ Ricci wissen. Machiavelli schrieb auch Gedichte. Am 8. November 1504 veröffentlichte er eine gereimte »Zehnjahresgeschichte«; Decennali. “Machiavelli hielt sich, wie spätere Zeugnisse belegen, für einen großen Dichter in der Nachfolge Dantes und auf gleicher Augenhöhe mit einem Ludovico Ariosto.” In diesem Gedicht verspottet er unter anderem Cesare Borgia (Herzog von Valence).

“Als der Himmel Alexander hingerafft,
wurde die Herrschaft des Valentino
ruiniert und vielfach aufgesplittert

Nur Julius nährte ihn mit großer Hoffnung;
und dieser Herzog glaubte bei anderen die Redlichkeit zu finden, die er selbst niemals gekannt.”
Niccolò Machiavelli

Dies Gedicht von Machiavelli benennt auch sein politisches Ziel. “Nach 548 Verszeilen folgte [..] die Moral der Geschichte: Florenz braucht ein neues Militärsystem, wenn es als Staat unter Staaten, das heißt: als Wolf unter Wölfen bestehen will.”

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