Porträt: David Ben-Gurion, Israels Staatsgründer und erster Ministerpräsident

Mittwoch, 21. September 2022 - 11:00 (CET/MEZ) Berlin | Author/Destination:
Category/Kategorie: Porträt
Lesedauer:  7 Minuten

David Ben-Gurion, 1968 © Fritz Cohen - National Photo Collection of Israel

David Ben-Gurion, 1968 © Fritz Cohen – National Photo Collection of Israel

David Ben-Gurion rief mit der Verkündung der israelischen Unabhängigkeitserklärung am 14. Mai 1948 den modernen Staat Israel aus. Er war dessen erster Ministerpräsident. Ben-Gurion war 1930, im zu der Zeit noch britischen Mandatsgebiet Palästina, einer der Gründer der zionistischsozialistischen Arbeiterpartei Israels (Mapai) und führte sie bis 1963 als Parteivorsitzender an. Nach parteiinternen Konflikten – unter anderem vor dem Hintergrund der Lawon-Affäre – verließ er die Mapai und gründete 1965 die linke Arbeiterliste Rafi. Beide Parteien vereinigten sich 1968 wieder und gingen zusammen mit der Achdut haAwoda in der bis in die Gegenwart bestehenden sozialdemokratischen Awoda auf. Von 1948 bis 1953 und von 1955 bis 1963 war Ben-Gurion Premierminister und Verteidigungsminister Israels.

Ben-Gurion trat im Ersten Weltkrieg für die Aufstellung eines jüdischen Bataillons in der osmanischen Armee und für die Annahme der osmanischen Staatsbürgerschaft durch die jüdischen Siedler ein, da er einen Sieg der Türken erwartete und sich von dieser Haltung Vorteile für die Realisierung einer jüdischen Autonomie in der Zeit nach dem Krieg erhoffte. Wegen seiner politischen Tätigkeit wurde er 1915 dennoch von den Osmanen ausgewiesen und ging in die Vereinigten Staaten. 1918 trat Ben-Gurion in die Jüdische Legion der britischen Armee ein. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges kehrten Ben-Gurion und seine Familie noch 1918 nach Palästina zurück, das ab 1923 (bis 1948) unter britischem Mandat stand. Dort wurde er erster Sekretär und Vorsitzender der 1920 gegründeten Gewerkschaft Histadrut. Zudem war Ben-Gurion die wichtigste Führungsfigur der linkszionistischen Partei Achdut haAwoda (“Einheit der Arbeiter”), die 1919 aus dem gemäßigten Flügel von Poale Zion hervorgegangen war. Auch am Aufbau der Hagana, des militärischen Arms des Zionismus in Palästina, war er beteiligt. Nachdem sich seine Partei Achdut haAwoda bis Ende der 1920er-Jahre weitgehend von ihren marxistischen Wurzeln gelöst hatte, fusionierte sie 1930 mit HaPoel HaZair zur Partei der Arbeiter von Eretz Israel (Mapai). Von der Gründung bis 1963 war Ben-Gurion Vorsitzender dieser Partei, die in jener Zeit stets die führende Kraft der zionistischen Bewegung war. Er wurde 1935 zum Vorsitzenden der Jewish Agency gewählt. Ben-Gurion vertrat das jüdische Establishment in Palästina und war als moderater Politiker bekannt. Die Briten arbeiteten teilweise mit ihm als Vertreter der Hagana zusammen, um Mitglieder von radikaleren militanten Gruppen verhaften zu können. Er war an gewaltsamen zionistischen Aktionen beteiligt, als seine Organisation kurzzeitig mit Menachem Begins Irgun kooperierte. David Ben-Gurion im Juni 1938 an die Exekutive der Jewish Agency: “Ich bin für Zwangsumsiedlung [der Palästinenser]; darin sehe ich nichts Unmoralisches.” An der Vorbereitung des Bombenanschlags gegen die britische Mandatsverwaltung im King David Hotel 1946 wirkte er zwar mit, widersprach dann aber erfolglos der Ausführung des Planes.

Albert Einstein and David Ben-Gurion © Israeli GPO photographer - National Photo Collection of Israel David Ben-Gurion statue by Don Winton at Ben-Gurion University, Beersheba © Amirber cc-by-sa-3.0 David Ben-Gurion, 1968 © Fritz Cohen - National Photo Collection of Israel David Ben-Gurion and Golda Meir statues in the Histadrut Garden © Nizzan Cohen/cc-by-sa-4.0 Graves of Paula and David Ben-Gurion in Midreshet Ben Gurion © David Shankbone/cc-by-3.0 John F. Kennedy and David Ben-Gurion © Deutsche Presse-Agentur, Agence France-Presse
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Albert Einstein and David Ben-Gurion © Israeli GPO photographer - National Photo Collection of Israel
Am 14. Mai 1948 verlas Ben-Gurion die israelische Unabhängigkeitserklärung und führte die neue Nation im unmittelbar folgenden Unabhängigkeitskrieg. Parallel bemühte sich Ben-Gurion, die verschiedenen bewaffneten Gruppen der zionistischen Bewegung zur Israelischen Armee zusammenzufügen. In diese Phase fällt auch die Versenkung der Altalena auf sein Kommando, die Munition für den Irgun an Bord hatte. Dieser Befehl ist noch heute umstritten. Andererseits formulierte er in der israelischen Unabhängigkeitserklärung ein deutliches Friedensangebot an die arabischen Nachbarn:

“Wir bieten allen unseren Nachbarstaaten und ihren Völkern die Hand zum Frieden und guter Nachbarschaft und rufen zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Hilfe mit dem selbständigen jüdischen Volk in seiner Heimat auf. Der Staat Israel ist bereit, seinen Beitrag bei gemeinsamen Bemühungen um den Fortschritt des gesamten Nahen Ostens zu leisten.”

Am 25. Februar 1949 wurde David Ben-Gurion zum ersten Premierminister des Staats Israel ernannt. Dieses Amt sollte er zunächst bis 1954 und dann erneut von 1955 bis 1963 innehaben. In seine Amtszeit fielen zahlreiche Projekte zur Urbarmachung und Entwicklung des Landes sowie zur Ansiedlung von Juden aus der ganzen Welt, insbesondere aus den arabischen und islamischen Ländern. Im Jahr 1953 gab Ben-Gurion seinen Rücktritt von der Regierung bekannt und siedelte in den Kibbuz Sede Boker in der israelischen Negev-Wüste über. Obwohl er sich nicht vollständig aus der Politik zurückzog, blieb er dort bis 1954. Mit Hilfe von Verhandlungen über (später tatsächlich erfolgte) deutsche Waffenlieferungen an Israel sabotierte Ben-Gurion indessen die von Premier Mosche Scharet geführten Friedensverhandlungen mit Ägyptens Präsident Nasser. Er kehrte 1955 zunächst als Verteidigungsminister – ein Amt, das er bereits von 1948 bis 1954 innegehabt hatte –, noch im selben Jahr aber auch wieder als Premierminister an die Staatsspitze zurück. In dieser Funktion bereitete er in enger Zusammenarbeit mit Frankreich und England den Sueskrieg von 1956 vor. Infolge der Lawon-Affäre trat er 1963 vom Amt des Premierministers zurück und schlug Levi Eschkol als seinen Nachfolger vor. Zwei Jahre später überwarf er sich mit Eschkol und der Mapai und gründete mit Mosche Dajan und Schimon Peres die Rafi-Partei. Nach dem Sechstagekrieg sprach Ben-Gurion sich 1967 dagegen aus, weiteres arabisches Land zu annektieren. Als sich Rafi 1968 mit Mapai zusammenschloss, gründete er die Nationale Liste. David Ben-Gurion zog sich 1970 aus allen seinen politischen Ämtern zurück.

“Wenn ich ein arabischer Führer wäre, würde ich nie einen Vertrag mit Israel unterschreiben. Es ist normal; wir haben ihr Land genommen. Es ist wahr, dass es uns von Gott versprochen wurde, aber wie sollte sie das interessieren? Unser Gott ist nicht ihr Gott. Es gab Anti-Semiten, die Nazis, Hitler, Auschwitz, aber war es ihre Schuld? Sie sehen nur eine Sache: Wir kamen und haben ihr Land gestohlen. Warum sollten sie das akzeptieren?”
– David Ben-Gurion

Lesen Sie mehr auf Wikipedia Deutsch-israelische Beziehungen und Wikipedia David Ben-Gurion (Sicher Reisen - Die Reiseapp des Auswärtigen Amtes - Wetterbericht von wetter.com - Global Passport Power Rank - Travel Risk Map - Democracy Index - GDP according to IMF, UN, and World Bank - Global Competitiveness Report - Corruption Perceptions Index - Press Freedom Index - World Justice Project - Rule of Law Index - UN Human Development Index - Global Peace Index - Travel & Tourism Competitiveness Index). Fotos von Wikimedia Commons. Wenn Sie eine Anregung, Kritik oder einen Hinweis zu dem Beitrag haben, freuen wir uns auf Ihre E-Mail an kommentar@wingsch.net. Nennen Sie dazu im Betreff bitte die Ãœberschrift des Blogbeitrags, auf den sich Ihre E-Mail bezieht.




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