Mittwoch, 8. September 2021 - 11:00 (CET/MEZ) Berlin | Author/Destination: Asia / Asien Category/Kategorie: Allgemein, UNESCO-WelterbeLesedauer: 4Minuten
Seit Jahrtausenden spielen in der chinesischen KulturHeilige Berge (Shèngshān) eine Rolle. Der Berg (shān) bzw. das Gebirge (shān bzw. shānmài) gilt seit der chinesischen Antike als kosmologisches Grundelement. Im Buch der Wandlungen, dem Yijing, bezeichnet sein Trigramm (Guà) den Bund von Himmel und Erde und steht für grundlegende Charaktereigenschaften wie Aufrichtigkeit, Geduld und Ausdauer. Das Schriftzeichen “shèng” wird mit “heilig”, aber auch “weise” übersetzt. In künstlerischen Darstellungen steht ein Berg umgeben von Nebengipfeln für den Idealtypus einer Persönlichkeit von Verantwortung und sozialem Status, ein einzelner Berg für den Einsiedler als Mönch oder Philosoph.
Bergchroniken, die Shanzhi, wurden etwa seit der Tang-Zeit zusammengestellt und herausgegeben. Es gibt zahlreiche tradierte Gruppen heiliger oder denkwürdiger Berge, unter denen insgesamt neun heilige Berge die wichtigsten sind: Die fünf heiligen Berge des Daoismus und die vier heiligen Berge des Buddhismus. Die Zahl Neun ist in der chinesischen Universalreligion als heilige Zahl von großer Bedeutung. Diese Heiligen Berge spielten als Zentren dieser Traditionen auch eine Rolle im alten Staatskultwesen. Sie sind seit Jahrhunderten Pilgerziele und ziehen noch heute große Mengen von Besuchern an. Der chinesische Ausdruck für Pilgerreise (cháoshèng) ist eine Abkürzung des Ausdrucks cháobài shèngshān, was so viel bedeutet wie “einem heiligen Berg seine Reverenz erweisen”.
Der Huang Shan (“Gelber Berg”, ursprünglich “Schwarzer Berg, aufgrund der dunklen Gipfeln”) in Anhui gilt als Wahrzeichen und Verkörperung der chinesischen Kultur. Xu Xiake, Geograph der Ming-Dynastie, sagte über den Huang Shan:
“Nach der Besichtigung der fünf Gebirge hat man kein Interesse mehr, andere Berge zu besichtigen. Aber nach der Besichtigung des Gelben Berges ist das Interesse für die fünf Berge auch verloren.”
Die Berggruppe umfasst insgesamt 72 denkwürdige Gipfel, 36 “majestätische und bedrohliche” und 36 “zierliche und graziöse” Gipfel.
Die vier heiligen Berge des Buddhismus, Sida Fojiao Mingshan (“Vier große berühmte buddhistische Berge”), sind: Wutai Shan, Putuo Shan, Emei Shan und Jiuhua Shan. Diese vier Berge werden auch mit vier Metallen gleichgesetzt: Jīn Wǔtái, Gold-Wutai, Yín Pǔtuó, Silber-Putuo, Tóng Éméi, Kupfer-Emei, und Tiě Jiǔhuá, Eisen-Jiuhua. Jedem der vier Berge ist zudem eine buddhistische Gottheit zugeordnet: am Wutai Shan wird der BodhisattvaManjushri / Wenshu verehrt, am Putuo Shan die weibliche Erscheinungsform der Bodhisattva Avalokiteshvara / Guanyin, am Emei Shan ist es der Bodhisattva Samantabhadra / Puxian und am Jiuhua Shan der Bodhisattva Ksitigarbha / Dizang. Der Putuo Shan nimmt dabei ebenso auf den buddhistischen Avalokiteśvara-Mythos des mythischen Bergs Potala Bezug wie der Mar‑po‑ri (“Roter Berg”) von Lhasa, Standort des Potala-Palastes.
Religiöse Zentren sind auch das Wutai-Gebirge bei Wutai in der Provinz Shanxi und der Lu Shan bei Jiujiang in Jiangxi, der als besonders ehrfurchtgebietend gilt, ebenso wie die Berge von Guilin am Li-Fluss, das nach Peking meistbesuchte touristische Ziel Chinas.