Der Marais in Paris

Samstag, 5. Dezember 2015 - 13:00 (CET/MEZ) Berlin | Author/Destination:
Category/Kategorie: Allgemein, Paris / Île-de-France
Lesedauer:  7 Minuten

Place des Vosges © AlNo/cc-by-sa-3.0

Place des Vosges © AlNo/cc-by-sa-3.0

Der Marais (deutsch: Morast oder Sumpf) ist ein Stadtteil von Paris am rechten, dem nördlichen Ufer der Seine, östlich von Beaubourg, zwischen der Place de la République und der Place de la Bastille. Er gehört sowohl zum 3. als auch zum 4. Arrondissement. Begrenzt wird das Viertel von der Rue Réaumur und der Rue de Bretagne im Norden, dem Boulevard Beaumarchais im Osten, der Seine im Süden und der Rue Beaubourg sowie der Rue du Renard im Westen. Diese ehemalige Sumpflandschaft wurde im 13. Jahrhundert von Angehörigen des Templerordens trockengelegt. Damals befand sie sich in einer Randlage, heute im Herzen der Stadt östlich des Innenstadtbereichs.

Es handelt sich um ein besonderes und sehr ursprüngliches Viertel von Paris: Es hat die Haussmannschen Modernisierungsbestrebungen des 19. Jahrhunderts überstanden, und so haben die ältesten und prachtvollsten Hôtels particuliers, d. h. Stadtpaläste des Adels, neben den windschiefen Häusern der Handwerker, die hohen Mietshäuser neben den Ordensniederlassungen der Tempelritter hier überlebt. Die historische Entwicklung des zeitweise anrüchigen Stadtviertels beobachtend, beschrieb Victor Hugo 1831 in seinem Glöckner von Notre Dame den Marais wenig schmeichelhaft:

“Zigeuner, entlaufene Mönche, versumpfte Studenten, Schurken aller Nationen, wie Spanier, Italiener, Deutsche, und alle Religionen, Juden, Christen, Mohammedaner, Götzenanbeter, am Tag bettelnd, nachts als Räuberbanden ausschwärmend…”

Der Marais ist das historische Zentrum des jüdischen Lebens in Paris. Seit dem 13. Jahrhundert haben hier Juden aus Ost und West trotz aller Vertreibungen immer wieder eine Heimat gefunden. Bildeten in der frühen Neuzeit zunächst die Sephardim, die aus Spanien und Portugal vertriebenen Juden, die Mehrheit, kamen nach der Französischen Revolution besonders strenggläubige Juden aus dem Elsass und Osteuropa. Nachdem während der deutschen Besatzung 1940-1944 zahlreiche Juden deportiert und ermordet worden waren, siedelten sich in den 1960er Jahren erneut Sepharden aus Nordafrika an, die heute einen Großteil der jüdischen Gemeinde von Paris ausmachen. Nirgendwo sonst in Europa leben heute so viele Juden: 400.000 Menschen gehören zur jüdischen Gemeinde in Frankreich, fast die Hälfte von ihnen lebt in Paris – und die meisten von ihnen wohnen noch immer im Marais-Viertel. Der “Vater” der Jugendstileingänge der Pariser Métro, Hector Guimard (selbst mit einer Jüdin, der Malerin Adeline Oppenheim aus New York verheiratet), ist der Architekt der Agudath-Hakehilot-Synagoge, bei der er die verspielte Ästhetik des Jugendstils mit der Strenge des orthodoxen Judentums verband. In unmittelbarer Nachbarschaft residiert das Oberhaupt der orthodoxen Juden von Paris, einer kleinen, aber engagierten Minderheit. So ist es nicht selten, eine Sushi-Bar oder eine Pizzeria mit einem Kashrut-Zertifikat des Beth Din de Paris vorzufinden, des Großrabbinats von Paris, das über die Einhaltung der Reinheitsvorschriften wacht. Die (nach heute nicht mehr existierenden Rosensträuchern benannte) Rue des Rosiers und ihre Seitenstraßen werden auf Jiddisch das Pletzl oder Le Pletzl genannt.

Während des 1. Weltkriegs entstand hier zudem eine große chinesische Gemeinde. Frankreich benötigte in der Zeit dringend Arbeitskräfte aus dem Ausland, um die an der Front eingesetzten Soldaten zu ersetzen. China entsandte daraufhin einige Tausend Arbeiter unter der Bedingung, dass diese nicht am Krieg teilnehmen durften. Viele Chinesen blieben nach Ende des Krieges in Paris und sind heute hauptsächlich in der Schmuck- und Lederwarenindustrie tätig. Die chinesische Gemeinschaft des Marais hat sich rund um den Place de la République angesiedelt. In der Nachbarschaft an der rue du Temple befindet sich die Chinesische Kirche von Paris. Seit den 1980ern hat sich im Marais, um die Rue de la Verrerie herum, in den Parallelstraßen Rue Sainte-Croix de la Bretonnerie und Rue des Blancs Manteaux, ein großer Teil der Pariser Schwulenszene etabliert.

Restaurant Chez Marianne © Zantastik/cc-by-sa-3.0 Place des Vosges © flickr.com - Tim Schapker/cc-by-2.0 Hotel Guénégaud - Musée de la Chasse © Pline/cc-by-sa-3.0 Place des Vosges © AlNo/cc-by-sa-3.0 Hotel de Sens © Pline/cc-by-sa-3.0 Hotel Sully © Beckstet/cc-by-sa-3.0
<
>
Hotel Guénégaud - Musée de la Chasse © Pline/cc-by-sa-3.0
Den Grenzstein am westlichen Eingang zum Marais bildet das in den frühen 1970er Jahren von Renzo Piano und Richard Rogers konstruierte Centre Georges Pompidou. Das Gebäude ist benannt nach dem französischen Staatspräsidenten Georges Pompidou, auf dessen Initiative es gebaut wurde und das Quartier des Halles, die Pariser Markthallen, das Herzstück des Viertels, abgerissen wurden. 300 Meter entfernt vermittelt seit 1998 das Museum für jüdische Kunst und Geschichte im 1640 erbauten Hôtel de Saint-Aignan jüdische Kultur. Einer der schönsten und ältesten Plätze von Paris, die Place des Vosges, liegt inmitten des Marais. Der Platz, der bis zur Revolution Place Royale hieß, wurde 1605 von Heinrich IV. an der Stelle eines Pferdemarktes angelegt. Victor Hugo wohnte hier im Haus Nr. 6 und Kardinal Richelieu im Haus Nr. 21.

Das dem französischen Nationalarchiv angegliederte Musée de l’Histoire de France dokumentiert in dem äußerst prunkvollen Rahmen des Hôtel de Soubise, eines der größten Stadtpaläste des Marais-Viertels, die Geschichte Frankreichs. Der Schwerpunkt des Museums liegt auf der Entstehung des französischen Königreichs und der Entwicklung der verschiedenen Institutionen der Monarchie. Schriftstücke wie die Testamente von Ludwig XIV., Ludwig XV. und Napoleons werden präsentiert, der letzte Brief von Marie Antoinette oder Robespierres Haftbefehl, ein Schreiben von Richard Löwenherz ebenso wie ein Brief Jeanne d’Arcs an die Einwohner von Reims vom 6. August 1429.

Auf dem Weg von der Rue Vieille du Temple (hier hatte einst der Templerorden seinen Sitz) zur Rue des Francs-Bourgeois kommt man am Marché Saint Paul vorbei, einem anziehenden Ort, an dem sich unter den Portalvorbauten Antiquitäten- und Trödlergeschäfte aneinanderreihen. Die seit 1810 protestantische Kirche Les Billettes an der Rue des Archives geht auf ein Kloster des späten 13. Jahrhunderts zurück und erinnert zugleich an eine antijüdische Legende. Die Ursprungslegende des Klosters ist das Miracle des Billettes, die Erzählung vom Hostienfrevel eines Juden und dessen Vereitelung durch eine Kette von Wundern. Die Legende war im Spätmittelalter europaweit bekannt, wurde vielfach ausgeschmückt und bildlich dargestellt. Der historische Kern der Geschichte ist nicht verifizierbar. Die heutige Kirche entstand 1756–58. Der gotische Kreuzgang ist der einzige erhaltene von Paris.

Lesen Sie mehr auf paris.sehenswuerdigkeiten-online.de – Marais und Wikipedia Marais (Sicher Reisen - Die Reiseapp des Auswärtigen Amtes - Wetterbericht von wetter.com - Global Passport Power Rank - Travel Risk Map - Democracy Index - GDP according to IMF, UN, and World Bank - Global Competitiveness Report - Corruption Perceptions Index - Press Freedom Index - World Justice Project - Rule of Law Index - UN Human Development Index - Global Peace Index - Travel & Tourism Competitiveness Index). Fotos von Wikimedia Commons. Wenn Sie eine Anregung, Kritik oder einen Hinweis zu dem Beitrag haben, freuen wir uns auf Ihre E-Mail an kommentar@wingsch.net. Nennen Sie dazu im Betreff bitte die Überschrift des Blogbeitrags, auf den sich Ihre E-Mail bezieht.








Das könnte Sie auch interessieren:

Diesen Beitrag teilen: (Vor Nutzung der Button Datenschutzregelungen beachten)

Das Museumsschiff Amsterdam

Das Museumsschiff Amsterdam

[caption id="attachment_183088" align="aligncenter" width="590"] © Malis[/caption][responsivevoice_button voice="Deutsch Female" buttontext="Diesen Beitrag vorlesen"]Die Amsterdam war ein Handelsschiff des 18. Jahrhunderts unter der Flagge der Niederländischen Ostindien-Kompanie (V.O.C.). Das Schiff begann seine Jungfernfahrt am 8. Januar 1749 von Texel nach Batavia, geriet jedoch am 26. Januar 1749 in einen Sturm in der Nordsee und lief an der englischen Küste auf Grund. Hier musste es aufgegeben werden. Das Wrack wurde 1969 in der Nähe der Stadt Hastings wiederentdeckt und stellt das bes...

[ read more ]

Die Le Ponant

Die Le Ponant

[caption id="attachment_239612" align="aligncenter" width="590"] at São Nicolau, Kap Verde © Christof46/cc-by-sa-4.0[/caption][responsivevoice_button voice="Deutsch Female" buttontext="Beitrag anhören"]Die Le Ponant ist ein französisches Segelschiff, das als Kreuzfahrtschiff eingesetzt wird. Das Schiff wird von Compagnie du Ponant betrieben. Das Schiff bietet auf vier Passagierdecks Platz für 64 Passagiere, die in insgesamt 32 Kabinen untergebracht werden können. Die Anzahl der Besatzungsmitglieder beträgt 32 Personen. Das Schiff wurde im Jahre 1991 unter der Baunummer 863-1 auf...

[ read more ]

Themenwoche Iran - Ahvaz

Themenwoche Iran - Ahvaz

[caption id="attachment_162613" align="aligncenter" width="590"] Ahvaz Bridge over Karun River © Arad M./cc-by-sa-4.0[/caption][responsivevoice_button voice="Deutsch Female" buttontext="Diesen Beitrag vorlesen"]Ahvaz ist eine Stadt im Iran am Ufer des Flusses Karun mitten in der Provinz Chuzestan am Persischen Golf. Der neuere Teil von Ahvaz mit Industriegebieten liegt rechts des Karun, die älteren Teile am linken Ufer. Mit etwa 1.100.000 Einwohnern ist Ahvaz die größte Stadt der Provinz Chuzestan. Anfang des 20. Jhd. hatte die Stadt nur 2000 Einwohner, doch der Fund von Ölvorkommen führ...

[ read more ]

Åland in Finnland

Åland in Finnland

[caption id="attachment_150382" align="aligncenter" width="590"] Åland map © Ulamm[/caption][responsivevoice_button voice="Deutsch Female" buttontext="Diesen Beitrag vorlesen"]Åland ist eine mit weitgehender Autonomie ausgestattete Provinz Finnlands. Sie besteht aus der gleichnamigen Inselgruppe in der nördlichen Ostsee am Eingang des Bottnischen Meerbusens zwischen Schweden und dem finnischen Festland. Schwedisch ist die einzige Amtssprache in der Provinz, die infolge einer Entscheidung des Völkerbundes aus dem Jahr 1921 als entmilitarisierte Zone zu Finnland gehört, aber ihre inneren A...

[ read more ]

Themenwoche Neukaledonien - Koné

Themenwoche Neukaledonien - Koné

[caption id="attachment_150832" align="aligncenter" width="590"] Cultural Center © Torbenbrinker/cc-by-sa-3.0[/caption][responsivevoice_button voice="Deutsch Female" buttontext="Diesen Beitrag vorlesen"]Koné ist eine Gemeinde in der Province Nord, deren Provinzsitz sie ist. Neben Koné als größtem Ortsteil gehören noch Koniambo und Tiaoué als kleinste Ansiedlungen zur Gemeinde. Auf dem Gebiet Konés leben insgesamt zehn verschiedene Stämme. Koné liegt an der humiden Westküste der größten neukaledonischen Insel Grande Terre und schließt auch die Île Pingiane vor der Küste ein. Lan...

[ read more ]

Sablon in Brüssel

Sablon in Brüssel

[caption id="attachment_213606" align="aligncenter" width="590"] Rue de Rollebeek © Michel wal/cc-by-sa-3.0[/caption][responsivevoice_button voice="Deutsch Female" buttontext="Beitrag anhören"]Das Sablon oder Zavel (niederländisch) ist ein Viertel und ein Hügel in der historischen Oberstadt von Brüssel in Belgien. Das Herzstück sind die Flächen des größeren Platzes Grand Sablon ("Großer Sablon") im Nordwesten und des kleineren Platzes Petit Sablon ("Kleiner Sablon") im Südosten, geteilt durch die Kirche Unserer Lieben Frau von Sablon. Das Viertel Sablon wurde im 19. Jahrhundert umge...

[ read more ]

WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF

WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF

[caption id="attachment_24726" align="aligncenter" width="590"] Building of WSL Institute for Snow and Avalange Research SLF in Davos Dorf © Capricorn4049/cc-by-3.0[/caption][responsivevoice_button voice="Deutsch Female" buttontext="Diesen Beitrag vorlesen"]Das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF (bis 2008 Eidgenössisches Institut für Schnee- und Lawinenforschung) in Davos im Kanton Graubünden ist ein interdisziplinär ausgerichtetes Forschungs- und Dienstleistungszentrum und gehört zur Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL und damit zum ET...

[ read more ]

Die Statsraad Lehmkuhl

Die Statsraad Lehmkuhl

[caption id="attachment_150369" align="aligncenter" width="590"] Statsraad Lehmkuhl and Lord Nelson © flickr.com - Bruno Girin/cc-by-sa-2.0[/caption][responsivevoice_button voice="Deutsch Female" buttontext="Diesen Beitrag vorlesen"]Die Statsraad Lehmkuhl ist eine stählerne Bark, die 1914 als Segelschulschiff Großherzog Friedrich August für den Deutschen Schulschiff-Verein (gegründet 1900) auf der Werft von Joh. C. Tecklenborg in Geestemünde gebaut wurde. Sie wurde nach dem oldenburgischen Großherzog Friedrich August II. benannt. Das Schiff wurde am Vorabend des Ersten Weltkrieg...

[ read more ]

Themenwoche Schweiz - Château-d'Œx im District de la Riviera-Pays-d’Enhaut

Themenwoche Schweiz - Château-d'Œx im District de la Riviera-Pays-d’Enhaut

[caption id="attachment_206141" align="aligncenter" width="590"] © Ivan Babovic/cc-by-sa-3.0[/caption][responsivevoice_button voice="Deutsch Female" buttontext="Diesen Beitrag vorlesen"]Château-d’Œx ist eine politische Gemeinde im Bezirk Riviera-Pays-d’Enhaut im Schweizer Kanton Waadt. Château-d’Œx liegt auf 958 Metern über dem Meer, 22 km östlich des Bezirkshauptortes Vevey. Das Dorf erstreckt sich in einer Talweitung des Pays-d’Enhaut auf einer Geländeterrasse am Dorfbach, leicht erhöht über dem Tal der Saane, in den Waadtländer Alpen. Die ersten Touristen kamen En...

[ read more ]

Porträt: Ludwig von Mises, Wirtschaftswissenschaftler und Theoretiker des klassischen Liberalismus und Libertarismus

Porträt: Ludwig von Mises, Wirtschaftswissenschaftler und Theoretiker des klassischen Liberalismus und Libertarismus

[caption id="attachment_227596" align="aligncenter" width="590"] © Krapulat/cc-by-sa-4.0[/caption][responsivevoice_button voice="Deutsch Female" buttontext="Beitrag anhören"]Ludwig Heinrich Edler von Mises war ein österreichisch-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und Theoretiker des klassischen Liberalismus und Libertarismus. Er gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie im 20. Jahrhundert. Von Mises war zunächst Anhänger der historischen Schule um Gustav von Schmoller, wurde aber nach Bekanntschaft mit den Schriften Carl Mengers zum...

[ read more ]

Zum SeitenanfangZum Seitenanfang
'Welcome to fabulous Las Vegas' sign © Pobrien301
Der Las Vegas Strip

Der Las Vegas Strip ist ein Abschnitt des Las Vegas Boulevard in Las Vegas und Paradise im US-Bundesstaat Nevada, der...

© M(e)ister Eiskalt/cc-by-sa-4.0
Der Oberpollinger in München

Der Oberpollinger ist ein bekanntes Warenhaus in der Neuhauser Straße in München. Es wird von der The KaDeWe Group GmbH...

Statsraad Lehmkuhl and Lord Nelson © flickr.com - Bruno Girin/cc-by-sa-2.0
Die Statsraad Lehmkuhl

Die Statsraad Lehmkuhl ist eine stählerne Bark, die 1914 als Segelschulschiff Großherzog Friedrich August für den Deutschen Schulschiff-Verein (gegründet 1900)...

Schließen