Die École Nationale d’Administration (ENA) ist eine in Straßburg ansässige Grande école, die traditionell die Elite der französischen Verwaltungsbeamten ausbildet. Sie wurde am 9. Oktober 1945 von Charles de Gaulle ins Leben gerufen, um den Aufbau einer von der Vichy-Vergangenheit unbelasteten Verwaltung zu ermöglichen. Aufgabe der ENA ist es, den zukünftigen höheren Verwaltungsbeamten eine fachübergreifende Ausbildung zukommen zu lassen. Der Unterricht dauert 27 Monate und teilt sich in eine Studienphase von 15 Monaten sowie eine Praktikumsphase von 12 Monaten. Die Praktika müssen bei Präfekturen, diplomatischen Vertretungen oder internationalen Organisationen abgeleistet werden.
Die ENA ist geprägt von den historischen Umständen ihrer Gründung, insbesondere vom Geist derer, die – oftmals aus der Résistance kommend – den Wiederaufbau Frankreichs übernahmen. Vor 1945 hatte es keine zentrale Ausbildungsstätte für die höheren französischen Verwaltungsbeamten gegeben. Um den Zugang zur ENA so gerecht und transparent wie möglich zu gestalten, wurde ein rigoroser Concours als Zulassungsverfahren eingeführt. Von jährlich etwa 3000 Bewerbern bestehen 120 das strenge Auswahlverfahren. Viele der ausländischen Studenten an der ENA sind Deutsche, die vom Deutschen Akademischen Austauschdienst ein Stipendium erhalten. Die ENA kooperiert mit mehreren ausländischen Hochschulen; Kooperationspartner in Deutschland sind die Bundesakademie für öffentliche Verwaltung, die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, die Universität Potsdam und die Führungsakademie Baden-Württemberg.
Die Gründung der ENA war Teil eines Programms zur Reform der französischen Verwaltung, geleitet vom damaligen Generalsekretär der Parti communiste français (PCF), Maurice Thorez. Die Schule wurde in Paris eingerichtet, zunächst an der Adresse 56, rue des Saint-Pères, später an der Adresse 13, rue de l’Université. Édith Cresson setzte als Premierministerin im Zuge der bislang eher halbherzigen Dezentralisierungsbestrebungen 1992 gegen erhebliche Widerstände durch, dass die klassische ENA-Ausbildung nach Straßburg verlegt wurde. Sie bezog dort das ehemalige Kloster Sainte Marguerite (ursprünglich eine Kommende des Johanniterordens). Über zehn Jahre hinweg lief der Betrieb der ENA zugleich in Paris und in Straßburg ab, bevor 2005 der Umzug der restlichen Ausbildungseinrichtungen der ENA nach Straßburg abgeschlossen wurde. Damit einher ging auch die Integration des Institut international d’administration publique (IIAP) in die ENA. Die Pariser Gebäude wurden von Sciences Po Paris (früher bekannt als Institut d’études politiques de Paris (IEP Paris) übernommen. Die meisten ENA-Studenten sind Absolventen der Sciences Po.
Französische Absolventen der ENA müssen nach dem Abschluss mindestens zehn Jahre im französischen Staatsdienst arbeiten. Viele “Enarchen” treten ihren Dienst zunächst beim Conseil d’État, dem französischen Rechnungshof, oder in französischen Ministerien an. Einige verpflichten sich für den diplomatischen Dienst. Während der Eintritt und Verbleib im Staatsdienst bereits mit Bestehen des ENA-Auswahlverfahrens garantiert ist, hängt die Erlangung lukrativer Dienstposten zu Beginn der Beamtenlaufbahn entscheidend vom erreichten Classement bei der Abschlussprüfung ab. Ein Großteil der französischen Spitzenpolitiker haben ihre Laufbahn als ENA-Absolvent begonnen.