Der Eurotunnel, auch Kanaltunnel genannt, ist ein 50 km langer Eisenbahntunnel unter der hier 38 km breiten Straße von Dover zwischen Folkestone in Kent und Coquelles nahe Calais. In den Landessprachen stehen Tunnel sous la Manche bzw. Channel Tunnel für das Bauwerk. Die technische Infrastruktur (Tunnelbetrieb, -überwachung und -instandhaltung) sowie Pendelzüge für Kraftfahrzeuge werden von der Eurotunnel-Gesellschaft Groupe Eurotunnel S.A. betrieben. Das lange geplante und sehr kostspielige Tunnelbauprojekt, dem einige fehlgeschlagene historische Baupläne vorangingen, wurde 1994 vollendet. Der Eurotunnel besteht aus zwei eingleisigen Fahrtunneln und einem dazwischenliegenden zweistreifigen Servicetunnel für schmale Straßenfahrzeuge.
1753 schlug der Franzose Nicolas Desmaret vor, eine Verbindung zwischen England und Frankreich herzustellen. 1802 legte der französische Bergwerksingenieur Albert Mathieu hierfür einen ersten ernstzunehmenden Entwurf vor. Die Verbindung sollte mit Pferdekutschen betrieben werden. Die Varne-Sandbank sollte hierfür zu einer künstlichen Insel mit Pferdewechselstelle aufgeschüttet werden. Durch Kamine, die einige Meter über die Wasseroberfläche hinausragten, sollte der Luftaustausch garantiert werden. Der Plan wurde nicht umgesetzt, da er technisch nicht realisierbar war und zudem der Krieg zwischen Frankreich und England wieder ausbrach. Napoléon Bonaparte erörterte das Thema im Rahmen der Friedensgespräche von Amiens mit dem britischen Staatsmann Charles James Fox.
Es folgten noch zahlreiche weitere Pläne, Ideen und Vorstellungen, wie und wo man einen Tunnel von Frankreich nach Großbritannien bauen könnte. Auch die Idee, statt eines Tunnels eine Brücke zu bauen, wurde zwischenzeitlich diskutiert , jedoch waren auch diese Ideen nicht zu verwirklichen. 1955 erklärte das britische Verteidigungsministerium, dass aus militärischer Sicht keine Einwände mehr gegen einen Tunnel bestünden. 1957 wurde die Kanaltunnel-Arbeitsgemeinschaft gebildet. Im Juli 1960 schlug eine Studiengruppe vor, zwei Tunnelröhren für die Eisenbahn und einen zusätzlichen Servicetunnel zu bauen. Das Projekt sollte privat finanziert werden.
Im Jahr 1984 wurde die Idee, Großbritannien mit dem Festland zu verbinden, wieder aufgegriffen, wobei insgesamt fünf Pläne mit den verschiedensten Kombinationen aus Tunneln, Dämmen und Hängebrücken vorgestellt wurden, z. B. die EuroRoute. Letztendlich entschieden sich britische und französische Regierung für den privat finanzierten Bau und Unterhalt des Eurotunnels. Im März 1985 erfolgte die Ausschreibung für das Tunnelprojekt. Den Zuschlag erhielt das britisch-französische Konsortium “The Channel Tunnel Group Ltd/France-Manche SA”. Von den vier eingegangenen Angeboten wurde somit derjenige Plan, der dem von 1973 am nächsten kam, ausgewählt und am 20. Januar 1986 verkündet. 1986 entschieden sich die britische und französische Regierung, den Tunnel als reinen Schienenverkehrstunnel auszuführen. Damit wurden verschiedene Varianten von Straßentunneln endgültig zu den Akten gelegt. Gebaut wurde der Tunnel auf Drängen der Premierministerin Margaret Thatcher ohne staatliche Zuschüsse. Am 15. Dezember 1987 begannen die Bohrungen auf der englischen Seite, am 28. September 1988 erfolgte der Start der Arbeiten in Frankreich. Am 1. Dezember 1990 kam es zum Durchstich am Grunde des Kanals – 15,6 km von Frankreich, 22,3 km von Großbritannien entfernt.